Leitsatz

  1. Baumängel am Gemeinschaftseigentum (Gewährleistungsklage des einzelnen Eigentümers als Prozessstandschafter in eigenem Namen gemäß Beschlussgenehmigung der Gemeinschaft)
  2. Keine rechtswirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger zu benennenden Sachverständigen (Unwirksamkeit entsprechender Klausel im Bauträger-Formularvertrag wegen unangemessener Benachteiligung)
  3. Keine konkludente Abnahme
  4. Abgehängte Gipskartonplattendecke als Sondereigentum (Funktion analog Deckenputz)
 

Normenkette

§§ 307 Abs. 1, 640 BGB

 

Kommentar

  1. Vorliegend konnte der Kläger Gewährleistungsrechte bezüglich des Gemeinschaftseigentums als Prozessstandschafter in eigenem Namen geltend machen. Durch Beschluss der Eigentümer wurde diese Prozessführung genehmigt; gleichzeitig wurde beschlossen, das Klageverfahren weiter zu betreiben. Damit hat der Kläger die Durchsetzung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Erwerber an sich gezogen und seine alleinige Zuständigkeit begründet.
  2. Behauptete Mängel an den abgehängten Decken der Dachgeschosswohnungen im Bereich von Spitzböden konnten allerdings nicht geltend gemacht werden, da es sich insoweit um Mängel am Sondereigentum handelt. Die abgehängten Gipskartonplatten in den Dachgeschosswohnungen sind dem Sondereigentum zuzuordnen, da sie die Funktion des Deckenputzes erfüllen, der nach Teilungserklärungsvereinbarung zu Sondereigentum erklärt wurde. Auch Veränderungen würden hier nicht das Gemeinschaftseigentum berühren. Auch die Befestigung der Gipskartonplatten an der darüberliegenden, dem Gemeinschaftseigentum zuzurechnenden Dachkonstruktion ist integrierter Bestandteil der den inneren Abschluss der Dachgeschosswohnungen nach oben bildenden Decke und damit Sondereigentum.
  3. Ansprüche waren vorliegend auch noch nicht verjährt, da Formularklauseln in den Bauträgerverträgen zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums unwirksam sind. Gemeinschaftseigentum kann nicht durch einen vom Bauträger zu benennenden Sachverständigen abgenommen werden; ungültig ist auch die Klausel, dass ein Erwerber dem Sachverständigen unwiderrufliche Vollmacht erteilt, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen; dies stellt eine unangemessene Benachteiligung der Erwerber entgegen den Geboten von Treu und Glauben dar. Die Bauträgervertragsklausel greift hier wesentlich in den Kernbereich der Rechtsstellung der Erwerber ein. Erwerber sind unangemessen benachteiligt, wenn ihnen das originäre Abnahmerecht entzogen wird und sie faktisch keine Möglichkeit haben, eine Abnahme durch einen Bevollmächtigten zu verhindern. Dies gilt speziell bei fehlender Klarstellung im Sinne des Transparenzgebots (vgl. auch Vogel, NZM 2010, S. 377, 379). Auch benachteiligt die Klausel hier Erwerber unangemessen, weil die Neutralität der mit der Abnahme bevollmächtigten Person nicht gewährleistet ist, wenn der Sachverständige "aus dem Lager des Bauträgers" kommen soll. Eine solche Regelung widerspricht den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in §§ 640 und 641 BGB.

    Vorliegend haben auch andere Erwerber das Gemeinschaftseigentum nicht individuell abgenommen.

  4. Auch die in einem vorformulierten Übergabeprotokoll abgegebene Erklärung eines Erwerbers, wonach das Gemeinschaftseigentum mangelfrei sei und er den Vertragsgegenstand abnehme, führt nicht zur rechtsgültigen Abnahme des Gemeinschaftseigentums, wenn – im Hinblick auf die Abnahme durch den vom Bauträger benannten Sachverständigen – tatsächlich eine Prüfung durch den Erwerber, ob das Gemeinschaftseigentum im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt wurde, nicht stattgefunden hat.
  5. Auch kam es vorliegend nicht zu einer konkludenten Abnahme, die ohnehin grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn – wie hier – eine förmliche Abnahme vereinbart und hierauf nicht nachträglich verzichtet wurde. Auch die Vertragsregelung, von einer Abnahmefiktion durch Ingebrauchnahme des Gemeinschaftseigentums auszugehen, war vorliegend nicht geeignet, die Abnahmewirkungen herbeizuführen. Auch Abnahmen anderer Eigentümer konnten nicht als Billigung des Werks angesehen werden, weil ihnen wegen der irrigen Vorstellung, das Werk sei bereits (durch den Sachverständigen) abgenommen, das notwendige Erklärungsbewusstsein fehlte (OLG München, BauR 2009 S. 1444).
  6. Da die Verjährungsfrist erst mit der Abnahme eines Werks beginnt, waren vorliegend Gewährleistungsansprüche auch noch nicht verjährt. Bis zur Abnahme ist ein Unternehmer ohnehin zur Erfüllung verpflichtet. Die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche eines Bestellers beginnen nicht zu laufen, solange das Werk nicht abgenommen ist und auch sonst keine Umstände vorliegen, nach denen das vertragliche Erfüllungsverhältnis als beendet angesehen werden kann.
 

Link zur Entscheidung

OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.9.2011, 8 U 106/10

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