Leitsatz (amtlich)
1. Eine Regelung in einem vorformulierten Bauträgervertrag, wonach das Gemeinschaftseigentum durch einen von dem Bauträger zu benennenden Sachverständigen abgenommen wird und der Erwerber diesem Sachverständigen eine unwiderrufliche Vollmacht, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen, erteilt, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Erwerbers unwirksam.
2. Auch die in einem vorformulierten Übergabeprotokoll abgegebene Erklärung des Erwerbers, wonach das Gemeinschaftseigentum mangelfrei sei und er den Vertragsgegenstand abnehme, führt nicht zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums, wenn - im Hinblick auf die Abnahme durch den von dem Bauträger benannten Sachverständigen - tatsächlich eine Prüfung durch den Erwerber, ob das Gemeinschaftseigentum im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt wurde, nicht stattgefunden hat.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 10.06.2010; Aktenzeichen 9 O 292/09) |
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 12.4.2011 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9.9.2011) wird in folgendem Umfange aufrechterhalten:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 10.6.2010 - 9 O 292/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.033,20 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.5.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 12.4.2011 aufgehoben.
3. Die Kosten der Säumnis fallen der Beklagten zur Last. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen sind von der Klägerin zu 10 %, von der Beklagten zu 90 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet. Das gilt auch für die Fortsetzung der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 12.4.2011.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.1. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nimmt die beklagte Bauträgergesellschaft auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung von Mängeln im Dachbereich ihrer Wohnanlage in Anspruch.
Die 16 Wohneinheiten des in den Jahren 1999/2000 von der Beklagten schlüsselfertig errichteten Mehrfamilienhauses wurden nach Fertigstellung an die Erwerber übergeben, die letzte Wohneinheit im August 2002. Zwei Dachgeschosswohnungen, die Wohnungen Nrn. 13 und 14, stehen im Eigentum der Beklagten.
Zur Abnahme enthalten die notariellen Kaufverträge, soweit diese - wie etwa die Verträge der Erwerber U. und S. - vor dem 25.5.2000 abgeschlossen wurden, in § 7 folgende Bestimmungen:
"Bei Übergabe des Vertragsgegenstandes wird ein Übergabeprotokoll gefertigt, das von den Vertragsparteien oder ihren Bevollmächtigten zu unterzeichnen ist. In diesem Protokoll sind alle sichtbaren Mängel oder noch ausstehende Leistungen aufzunehmen. Spätere nicht im Übergabeprotokoll festgelegten Mängel und Restarbeiten können von der Verkäuferin nicht mehr anerkannt werden.
Nimmt der Käufer den Vertragsgegenstand in Gebrauch, ohne dass eine Übergabeverhandlung stattgefunden hat, so gilt diese Ingebrauchnahme als Abnahme des Werkes.
Diese Bestimmung gilt für alle Gebäudeteile. Die Gewährleistung beginnt am Tage der festgesetzten Abnahme.
Das Gemeinschaftseigentum wird durch einen vom Verkäufer benannten, öffentlich bestellten Sachverständigen oder durch den Verwaltungsbeirat abgenommen. Die Kosten für die Inanspruchnahme des Sachverständigen trägt die Verkäuferin.
Der Käufer erteilt zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums dem vom Verkäufer beauftragten Sachverständigen bzw. dem Verwaltungsbeirat ausdrücklich unwiderrufliche Vollmacht.
Beim Gemeinschaftseigentum beginnt die Gewährleistung mit dem Tage der Abnahme durch den Sachverständigen bzw. Verwaltungsbeirat."
Die Beklagte beauftragte den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen G. mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums, die am 25.5.2000 stattfand (Bestätigung des Sachverständigen G. vom 24.6.2000, Anlage B 1).
Am selben Tage fand die Übergabe an die Erwerber U. und S. statt. Hierüber wurde jeweils ein Übergabeprotokoll (II 235 und BB 12) gefertigt, in dem es eingangs vorformuliert heißt:
"Heute ... wurde das o.g. Haus (Wohnung) einschließlich Allgemeineigentum fertig gestellt übergeben. Der Erwerber trägt folgende Mängel und Restarbeiten vor:"
Es folgt eine auszufüllende Liste, beginnend mit "1. Sanitär" bis "16. Sonstiges". Unter Punkt 14 ist das "Gemeinschaftseigentum inkl. Kellerräume, Treppenhaus, Stellplätze, Garagen, Hauszugang" und unter Punkt 15 die "Gartenanlage" aufgeführt. Bei den Erwerbern U. ist hier handschriftlich vermerkt:
"wird vom Gutachter abgenommen".
Bei den Erwerbern S. ist hier vermerkt:
"Wurde am 25-5-00 von einem Sachverständigen bere...