Leitsatz
Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern praktizierten mit ihrer 1997 geborenen Tochter seit der Trennung im Jahre 2001 das sog. Wechselmodell. Nach einer zwischen ihnen vor dem FamG geschlossenen Vereinbarung wechselte das Kind in einem bestimmten Rhythmus zwischen den Haushalten des Vaters und der Mutter. Bei der Umsetzung und Realisierung der Vereinbarung kam es zunehmend zu Streitigkeiten über einzelne Fragen zur elterlichen Sorge, wie beispielsweise den Besuch einer Vorschule und die Gestaltung eines Kindergeburtstages. Aufgrund dessen beantragte die Mutter die Übertragung des Sorgerechts auf sich allein. Ihrem Antrag wurde vom FamG stattgegeben. Gegen diese Entscheidung legte der Vater Beschwerde ein und verfolgte das Ziel der Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das KG hielt die Beschwerde des Vaters für begründet. Die Eltern waren sich über den Aufenthalt des Kindes einig. Dies hatten sie auch in ihrer Anhörung vor dem KG ausdrücklich erklärt. Ob der wechselnde Aufenthalt für das Kind die beste Lösung sei und seinen Bedürfnissen gerecht werde, ließ das Gericht dahingestellt. Zwar seien auch weiterhin Streitpunkte der Eltern gegeben. Die Situation des Kindes verändere sich jedoch durch das rechtliche Konstrukt der Alleinsorge nicht zum Positiven. Vielmehr sei zu befürchten, dass die mit der Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter einhergehende Aufhebung des Gleichgewichts der Eltern in der Verantwortung für die Tochter auf das Kindeswohl erhebliche negative Auswirkungen haben würde. Anders als in den Fällen, in denen Kinder nach Trennung ihrer Eltern ihren Lebensmittelpunkt bei nur einem Elternteil haben, müssten die Eltern beim Wechselmodell zwangsläufig miteinander kommunizieren und kooperieren. Die Tochter habe zu Vater und Mutter ein gleichermaßen gutes Verhältnis. Durch die Praktizierung des Wechselmodells sei ihr Alltag von häufigen Kontakten zu beiden Eltern geprägt. Die zu befürchtende Verschlechterung des Verhältnisses der Eltern zueinander bei einer Aufhebung der gemeinsamen Sorge sei daher in die vorzunehmende Abwägung und Prognose der zukünftigen Entwicklung des Kindes und damit des Kindeswohls einzubeziehen.
Hinweis
Bei der Prüfung des Kindeswohls nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB macht das KG die konkrete Betreuungssituation und die daraus resultierende Kooperationsbedürftigkeit der Eltern zum Maßstab seiner Entscheidung. Dabei bedingt das Wechselmodell in der Regel die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge, weil die gleichberechtigte Zusammenarbeit der Eltern auf zahlreichen Gebieten unerlässlich und unumgänglich ist.
Nur wenn dies auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, entspricht es dem Wohl des Kindes am besten, die abwechselnde Betreuung aufzugeben und einen festen Lebensmittelpunkt entweder beim Vater oder bei der Mutter zu schaffen. In einem solchen Fall ist die elterliche Sorge gem. § 1671 BGB dem Elternteil zu übertragen, der als hauptsächliche Betreuungsperson am besten geeignet ist und von dem erwartet werden kann, dass er auch den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil gewährleistet.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Beschluss vom 21.02.2006, 13 UF 115/05