Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Aufrechnung gegenüber Wohngeldforderungen
Normenkette
§ 23 Abs. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, § 148 ZPO
Kommentar
1. Hat ein Wohnungseigentümer einen Abrechnungsgenehmigungsbeschluss angefochten und macht der Verwalter in einem anderen Verfahren gegen diesen Eigentümer Ansprüche auf Zahlung rückständigen Wohngeldes auf der Grundlage des angefochtenen Eigentümerbeschlusses geltend, ist es in der Regel nicht angezeigt, dass das Gericht das Inkassoverfahren von Amts wegen bis zur Entscheidung über die Anfechtung des Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses aussetzt.
Auch ein angefochtener Beschluss ist grundsätzlich solange gültig, bis er durch das Gericht für ungültig erklärt wird; bis zum Zeitpunkt etwaiger Ungültigerklärung bindet der Beschluss die Beteiligten und auch das Gericht (OLG Hamm, MDR 71, 662). Wird der angefochtene Beschluss durch das Gericht für ungültig erklärt, wirkt dies auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurück. Es bleibt aber den Wohnungseigentümern und dem Verwalter überlassen, zu entscheiden, ob trotz Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung der Beschluss vollzogen werden soll.
Von Amts wegen besteht jedenfalls keine Verpflichtung im Wohngeldinkassoverfahren, dieses Verfahren analog § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Gültigkeit des Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses auszusetzen. Eine Aussetzung ist im Wesentlichen eine richterliche Ermessensentscheidung, bei der zu prüfen ist, ob nicht die besondere Art des Verfahrens der Aussetzung entgegensteht und ob den Beteiligten die Verzögerung zugemutet werden kann (BayObLG, WE 90, 214). Im vorliegenden Fall besteht jedenfalls kein Aussetzungsbedürfnis, zumal Wohnungseigentümer auf Wohngeldzahlung zur Begleichung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten angewiesen sind und damit die Durchsetzung von Wohngeldforderungen beschleunigungsbedürftig ist. Diesem Ziel würde eine Aussetzung entgegenstehen (vgl. auch BayObLG, WE 91, 80).
2. Aufrechnungsmöglichkeit gegen Wohngeldforderungen besteht auch nur bei anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen oder mit solchen aus einer so genannten Notgeschäftsführung eines Eigentümers (h. R. M.); auch der aus Notgeschäftsführung entstehende Aufwendungsersatzanspruch kann nur von demjenigen Wohnungseigentümer zur Aufrechnung gestellt werden, der die Notgeschäftsführung vorgenommen hat (KG Berlin, NJW-RR 95, 719).
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung durch den unterlegenen Antragsgegner im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert von 10.390,52 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 07.12.1995, 2Z BR 125/95)
Zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
Ein Begründungsatz in dieser Entscheidung ("Es bleibt den Eigentümern und dem Verwalter überlassen, zu entscheiden, ob trotz Anfechtung ... der Beschluss vollzogen werden soll.") stört mich und sollte nicht zu falschen Schlüssen führen. Hat eine Gemeinschaft eine Abrechnung beschlossen, ist auch ein solcher Beschluss trotz erfolgter Anfechtung zu vollziehen, d.h. von dem in der Regel inkassoverpflichteten Verwalter auszuführen (zwingende gesetzliche Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Damit muss der Verwalter im Interesse der Gesamtgemeinschaft auch in sehr kurzer Frist notfalls gerichtliche Beitreibungsmaßnahmen von Wohngeldnachzahlungen vornehmen (ebenso i.Ü. Guthaben rückerstatten) und zwar ungeachtet einer u.U. später einmal festgestellten Ungültigkeit eines solchen Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses durch das Gericht in einem Parallel-Anfechtungsverfahren; es besteht dann allein entsprechende Korrekturverpflichtung.
Bei nachträglich erkannten Fehlern eines Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses kann allerdings die Gemeinschaft erneut in einer Eigentümerversammlung das Genehmigungsthema zur Disposition und neuerlichen Beschlussfassung stellen, sehr rasch also etwaige Fehler heilen, was sich dann im Rahmen einer solchen neuerlichen Beschlussfassung auch auf das rechtshängige Inkassoverfahren entsprechend auswirkt.