Leitsatz
Die Feststellung ehebedingter Nachteile i.S.v. § 1578 BGB bereitet erhebliche Schwierigkeiten, wenn die Ehe in jugendlichem Alter geschlossen und eine Berufsausbildung aus diesem Grunde gar nicht erst begonnen wurde. Eine solche Situation war auch in diesem Fall gegeben.
Sachverhalt
Die Parteien stritten in zweiter Instanz noch um den nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab März 2009. Die Parteien hatten im August 1990 geheiratet und sich im September 2004 getrennt. Die Ehefrau war im Jahre 1968, der Ehemann im Jahre 1967 geboren. Aus der Ehe waren zwei in den Jahren 1992 und 1995 geborene Söhne hervorgegangen. Beide Kinder hatten gesundheitliche Probleme.
Im Jahre 1990 - dem Jahr der Eheschließung - hatte die Klägerin darüber hinaus eine Totgeburt.
Eine im zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung begonnene Ausbildung zur Köchin musste sie wegen einer Nickelallergie schon nach kurzer Zeit abbrechen. Eine anschließend aufgenommene Ausbildung zur Bürokauffrau musste sie wegen Rückenbeschwerden und Prüfungsängsten vorzeitig beenden und ging dann kurzfristigen geringfügigen Beschäftigungen nach. Nach der Geburt der Kinder in den Jahre 1992 und 1995 war sie Hausfrau. Die Scheidung der Ehe erfolgte im Jahre 2006. In diesem Jahr erkrankte die Klägerin an Krebs und war seither wiederholt arbeitsunfähig erkrankt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin rückständigen und laufenden nachehelichen Unterhalt ab Rechtskraft der Ehescheidung geltend gemacht und hierzu insbesondere vorgetragen, dass beide Kinder erhöht betreuungsbedürftig seien und der ganztägigen und verlässlichen Betreuung durch sie bedürften. Die Kinder seien im Übrigen auch dadurch schwer belastet, dass sie selbst schwer erkrankt sei.
Der Beklagte hat sich gegen den Klageanspruch gewehrt und die Auffassung vertreten, mit der Vollendung des 14. Lebensjahres des jüngeren Sohnes im Februar 2009 sei der Unterhaltsanspruch zu befristen, zumal spätestens ab dann von einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit der Klägerin auszugehen sei.
Erstinstanzlich wurde der Beklagte verurteilt, nachehelichen Unterhalt ab Februar 2008 i.H.v. monatlich 342,00 EUR zu zahlen. Die weitergehende Unterhaltsklage wurde abgewiesen.
Der Beklagte wandte sich mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit es den Anspruch der Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt ab März 2009 betraf.
Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hielt einen Anspruch aus § 1570 BGB für nicht gegeben. Die 14 und 17 Jahre alten Kinder seien trotz ihrer gesundheitlichen und sozialen Probleme nicht in besonderem Maße betreuungsbedürftig.
Der der Klägerin verbleibende Anspruch auf Aufstockungsunterhalt sei gemäß § 1578b BGB nicht zu befristen. Es sei völlig offen, wie sich die weitere berufliche Entwicklung der Klägerin ohne Eingehung der Ehe gestaltet hätte. Bei der Gesamtwürdigung könne nicht außer Acht gelassen werden, dass sie 1990 eine Totgeburt erlitten habe und der nachfolgende Abbruch zweier Berufsausbildungen etwa in dem Zeitraum zwischen Eheschließung und Geburt des ersten Kindes im Jahre 1992 gelegen habe. Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Klägerin aufgrund ihrer Prüfungsangst letztendlich keine Berufsausbildung absolviert habe, spreche vieles dafür, dass sie ohne die Ehe, die Schwangerschaften und die in der Ehe praktizierte Rollenverteilung einer Berufstätigkeit nachgegangen wäre und dadurch zumindest umfassende Berufserfahrung erworben hätte. Dies hätte ihr - im Verhältnis zu den tatsächlichen jetzigen Gegebenheiten - bessere Einkommensquellen eröffnet.
Zudem sei die Klägerin zurzeit der Eheschließung und der Schwangerschaft noch verhältnismäßig jung gewesen. Sie habe noch keine endgültige Stellung im Erwerbsleben gefunden. Jedenfalls wirkten sich diesbezügliche Unwägbarkeiten nach der Verteilung der Darlegungslast zulasten des Beklagten aus.
Hinweis
Das OLG hat die Revision zugelassen. Dies unter Hinweis darauf, dass die Frage, ob ehebedingte Nachteile i.S.d. § 1578b Abs. 1 BGB zu bejahen seien, wenn sich der berufliche Status der Unterhaltsberechtigten vor und während der in sehr jungen Jahren geschlossenen Ehe bis zu deren Ende aufgrund nicht abgeschlossener Berufsausbildung im Ergebnis nicht verändert habe, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstelle, die - auch zur Fortbildung des Rechts - der Klärung dienlich erscheine.
Die Revision wird beim BGH zum Aktenzeichen XII ZR 175/08 geführt.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 01.09.2008, 8 UF 42/08