Leitsatz
Drei zum Zeitpunkt des Unterhaltsprozesses minderjährigen Kindern (geboren in den Jahren 1989, 1991 und 1998) wurde nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) seit dem 1.3.2002 Leistungen von der Klägerin gewährt. Der Kindesvater wurde von ihr auf Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts in Anspruch genommen. Das älteste im Jahre 1989 geborene Kind lebte seit Juli 2003 bei ihm, die beiden anderen Kinder bei ihrer Mutter. Das erstinstanzliche Gericht hat den Beklagten zur Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts verurteilt und dabei sowohl sein gesamtes Renteneinkommen als auch das ihm ergänzend gewährte Arbeitslosengeld II als Einkommen berücksichtigt. Gegen dieses Urteil beabsichtigte der Beklagte, Berufung einzulegen und beantragte hierfür Prozesskostenhilfe. Mit der von ihm beabsichtigten Berufung wandte er sich allein gegen die Unterhaltsansprüche der beiden bei der Kindesmutter lebenden Kinder für die Zeit ab 1.1.2005.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die beabsichtigte Berufung des Beklagten nur insoweit für erfolgversprechend, als das erstinstanzliche Gericht bei der Einkommensermittlung aufseiten des Beklagten für die Zeit ab Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II berücksichtigt hatte. Nicht zu beanstanden sei der Umstand, dass das Renteneinkommen in voller Höhe bei der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt worden sei.
Maßgeblich für die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung sei die Leistungsfähigkeit des Beklagten gem. § 1603 BGB. Entscheidend hierfür sei zum einen die Frage, ob die Verteilung eines Teils des Renteneinkommens des Beklagten auf den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn zu einer auch unterhaltsrechtlich relevanten Einkommensreduzierung gegenüber den außerhalb der Gemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Kindern führe und zum anderen, ob das an den Beklagten ausgezahlte Arbeitslosengeld II als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu qualifizieren sei, obgleich er seinen nach dem SGB II bestehenden Bedarf nur deshalb nicht decken könne, weil ein Teil seines Einkommens dem bei ihm lebenden Sohn zugeteilt werde.
Beide Fragen waren nach Auffassung des OLG zu verneinen.
Eine Einkommensreduzierung aufgrund einer bedarfsgemeinschafts-internen Umschichtung des Einkommens - hier Renteneinkommens - nach den Vorschriften des SGB II sei im Unterhaltsrecht nicht vorgesehen. Würde man die Auswirkungen des Sozialrechts auf das Unterhaltsrecht durchschlagen lassen, führe dies im Übrigen zu einer rangmäßigen Benachteiligung der außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebenden gleichrangigen Unterhaltsberechtigten. Hier sei der Gesetzgeber aufgerufen, das Sozial- und das Unterhaltsrecht zu harmonisieren.
Die an den Beklagten nach dem SGB II als Kosten für Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II ausgezahlten Beträge waren nach Auffassung des OLG nicht als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu qualifizieren, seine Leistungsfähigkeit erhöhe sich hierdurch nicht.
Leistungen nach dem SGB II könnten jedenfalls dann nicht als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen qualifiziert werden, wenn diese dem Unterhaltspflichtigen nur deswegen gewährt würden, weil sein an sich vorhandenes - und unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes - Einkommen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft umverteilt worden sei mit der Folge, dass er seinen sozialrechtlich bestehenden Bedarf nicht mehr selbst decken könne. Wenn er einerseits unterhaltsrechtlich so behandelt werde, als verfüge er über sein gesamtes originäres Einkommen, könne ihm andererseits nicht noch zusätzlich der Teil zugerechnet werden, den er nur wegen seiner bedarfsgemeinschaftsinternen Einkommensreduzierung nach dem SGB II beanspruchen könne.
Diese Leistungen seien dem Unterhaltspflichtigen letztlich nicht mehr zurechenbar.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 19.07.2006, 4 UF 46/06