Leitsatz

Dem nicht am Gerichtsort wohnenden Beklagten war für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt worden. Ihm wurde seine Prozessbevollmächtigte, die ihren Kanzleisitz ebenfalls nicht am Gerichtsort hat, "zu den Bedingungen eines in Oldenburg ansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet.

Gegen diese Einschränkung hat der Beklagte Gegenvorstellung erhoben, die zum Erfolg führte.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG führt in seiner Entscheidung aus, dass der hilfsbedürftigen Partei gem. § 121 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen ist. Im Kosteninteresse der Staatskasse bestimme § 121 Abs. 3 ZPO lediglich, dass ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch keine höheren Kosten entstehen. Unter Zulassung i.S.d. kostenrechtlichen Vorschriften (z.B. §§ 91, 121 ZPO, 126 BRAGO) ist dabei die Zulassung i.S.v. § 18 ff. BRAO zu verstehen und nicht die Postulationsfähigkeit i.S.v. § 78 ZPO (zuletzt BGH v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898 [900], m.w.N.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 121 Rz. 59; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 Rz. 17).

Für eine Uminterpretation des Begriffs in "Niederlassung" oder "Ortsansässigkeit" ist nach Auffassung des OLG angesichts des klaren Wortlauts kein Raum. Danach war und ist ein beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt grundsätzlich beizuordnen. Für eine Einschränkung der Beiordnung "zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht ortsansässigen Rechtsanwalts" fehlt es nach In-Kraft-Treten des RVG an einer Rechtsgrundlage.

Unter der Geltung der BRAGO konnte der beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt Mehrkosten, die dadurch entstanden, dass er weder Wohn- noch Kanzleisitz dort hatte, gegenüber der Staatskasse ohnehin nicht abgerechnet werden. Dem stand § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO entgegen, wonach die Mehrkosten der Ortsverschiedenheit aus der Staatskasse nicht vergütet wurden, es sei denn, es wurde ein am Gericht nicht zugelassener Anwalt ohne Einschränkung beigeordnet (§ 126 Abs. 1 S. 3 BRAGO). Der am Gericht zugelassene auswärtige Rechtsanwalt erhielt dagegen seine Reisekosten aus der Staatskasse nicht erstattet.

Mit Einführung des RVG ist die früher in § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO enthaltene Regelung ersatzlos weggefallen. Damit ist der beim Prozessgericht zugelassene aber nicht ortsansässige Rechtsanwalt grundsätzlich nicht mehr gehindert, seine Reisekosten geltend zu machen. Es ist auch keine andere Norm ersichtlich, die die Gerichte berechtigen könnte, die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten eines zugelassenen, aber nicht ortsansässigen Rechtsanwalts von der Erforderlichkeit gerade seiner Beauftragung abhängig zu machen und bei deren Verneinung die Beiordnung einzuschränken.

Nach § 46 Abs. 1 RVG, der inhaltlich § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO entspricht, werden Auslagen, insbesondere Reisekosten, des beigeordneten Rechtsanwalts zwar nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Die Wahrnehmung eines Gerichtstermins durch den beigeordneten Anwalt ist aber zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit stets erforderlich.

 

Hinweis

Soweit auswärtige Rechtsanwälte nach dem 01.07.2004 ohne Einschränkung beigeordnet worden sind und Reisekosten gegenüber der Staatskasse noch nicht abgerechnet haben, ist insoweit noch die Nachfestsetzung möglich. Anderes gilt nur dann, wenn das Gericht die Reisekosten bestandskräftig abgesetzt hat, so dass insoweit bereits Rechtskraft eingetreten ist.

Ist hingegen eine Beiordnung nur einschränkt erfolgt, sollte versucht werden, diese Einschränkung anzufechten, soweit dies nach der Monatsfrist des § 121 Abs. 3 S. 2, 3 ZPO noch möglich ist.

 

Link zur Entscheidung

OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 06.01.2006, 3 UF 45/05

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