Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 WEG
Kommentar
1. Ist in der Gemeinschaftsordnung vereinbart, dass zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in einer Eigentumswohnung die schriftliche Einwilligung des Verwalters erforderlich sei, die nur aus einem wichtigen Grund verweigert werden könne, so ist diese Vereinbarung in der Regel dahin auszulegen, dass diese Einwilligung eine formelle Voraussetzung für die Berufs- oder Gewerbeausübungsgestattung darstellt.
Ob die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung oder Versagung der Einwilligung vorlagen, unterliegt grundsätzlich in vollem Umfang der Überprüfung und Beschlussentscheidung durch die Gemeinschaft der Eigentümer bzw. auf Antrag eines Eigentümers im Anfechtungs- oder Untersagungsverfahren durch das Gericht.
2. Im vorliegenden Fall erging die Beschlussentscheidung der Eigentümer auf "Widerruf der vom Verwalter erteilten Genehmigung" zu Recht, die Anfechtung wurde zurückgewiesen.
Es lag ein wichtiger Grund für die Versagung der Genehmigung durch die Gemeinschaft vor, da der Betrieb der Kinderarztpraxis im konkreten Fall für die restlichen Eigentümer mit unzumutbaren Beeinträchtigungen verbunden war. In einem solchen Anfechtungsverfahren kann das Gericht in vollem Umfang prüfen, ob die Erteilung der Genehmigung oder deren Versagung in Einklang mit vereinbarten Gebrauchsregelungen steht. Im vorliegenden Fall haben die Eigentümer keinen Beschluss zugunsten der Antragstellerseite gefasst, vielmehr die Genehmigung zum Betrieb der kinderärztlichen Praxis von vornherein versagt (damit Unterschied zur Entscheidung des OLG Karlsruhe, OLGZ 76, 145/147).
Bei Abwägung aller Umstände musste von einem wichtigen Grund gegen die Erteilung der Genehmigung gesprochen werden. Durchschnittlich besuchten die Praxis in einem Monat etwa 75 bis 80 Personen (Kinder-Patienten und Begleitpersonen). Dieser hohe Publikumsverkehr obendrein in einer Praxis im 2. Stock eines Wohnhauses rechtfertigt die Nutzungsversagung (anders als im Fall BayObLGZ 73, 1/7). Da es entscheidend auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankommt, ergibt sich auch aus der Entscheidung des KG Berlin (NJW-RR 91, 1421) hier kein Grund zu einer anderen Beurteilung.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren von DM 30.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 24.02.1997, 2Z BR 89/96)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Gerade bei einer Kinderarztpraxis erscheint mir dieses Entscheidungsergebnis gerechtfertigt, auch aus dem weiteren Grund, auf den bereits in vergleichbaren Gerichtsentscheidungen abgestellt wurde, dass hier häufig kranke Kinder mit Ansteckungsgefahren behandelt werden müssen, die aufgrund der Benutzung gemeinschaftlicher Räume und Einrichtungen andere Bewohner/Kinder im Haus gefährden könnten; keine Nachteilswirkung insoweit würde sich m.E. dann ergeben, wenn sich die Praxis in einem Erdgeschoss befände mit alleinigem Ein- und Ausgang zur Straße hin (also ohne Patientenverkehr innerhalb gemeinschaftlicher Räume).