Leitsatz
Ehepaare können ihre Kinder auch künftig nicht beitragsfrei in der Gesetzlichen Krankenversicherung mitversichern lassen, wenn der Elternteil mit dem höheren Einkommen privat versichert ist. Der Ausschluss solcher Kinder von der Familienversicherung ist verfassungsgemäß.
Sachverhalt
Das BVerfG nahm die entsprechende Verfassungsbeschwerde einer Mutter nicht zur Entscheidung an. Die gesetzlich versicherte Frau wollte ihre 4 Kinder über die Familienversicherung beitragsfrei mitversichern lassen. Ihr Mann ist als selbstständiger Rechtsanwalt privat versichert, weshalb die Krankenkasse der Frau die Mitversicherung der Kinder ablehnte. § 10 Abs. 3 SGB V schließt Kinder miteinander verheirateter Eltern von der Familienversicherung aus, wenn das Gesamteinkommen des Elternteils, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, höher ist als das des Mitglieds und bestimmte Einkommensgrenzen übersteigt. Durch die Regelung werden verheiratete Elternteile bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen gegenüber unverheirateten Elternteilen schlechter gestellt, da bei ihnen ein solcher Ausschluss nicht erfolgt.
Das BVerfG hatte bereits mit Beschluss v. 12.2.2003, 1 BvR 624/01, entschieden, dass die Ausschlussregelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Mit seinem neuen Beschluss hält es an seiner bisherigen Auffassung fest, dass die darin liegende Ungleichbehandlung verheirateter gegenüber unverheirateten Eltern im Hinblick auf die Familienversicherung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Grundrecht auf Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) verstößt. Zwar werden durch die maßgebliche Regelung des § 10 Abs. 3 SGB V verheiratete Paare gegenüber unverheirateten Paaren schlechter gestellt. Allerdings werde der Ausschluss der Kinder aus der Familienversicherung über die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder hinreichend ausgeglichen, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Außerdem könne ein gesetzlich versicherter Ehepartner dem anderen Ehepartner, der nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, beitragsfreien Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vermitteln – eine Option, die Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht eröffnet sei.
Die Ungleichbehandlung finde ihre Rechtfertigung in der Befugnis des Gesetzgebers, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen. Eine dem § 10 Abs. 3 SGB V entsprechende Ausschlussregelung auch für nicht verheiratete Paare wäre zudem für die Krankenkassen nicht praktikabel. Diese müssten fortwährend prüfen, ob eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht. Demgegenüber sei die Ehe ein rechtlich klar definierter und leicht nachweisbarer Tatbestand. Aus diesen Gründen sei die "punktuelle gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen". Aus der grundgesetzlichen Pflicht des Staats, die Familie zu fördern, folgen keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen.
Eine Änderung der Rechtslage ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BVerfG v. 13.2.2008, 2 BvL 1/06, zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder. Diese verlangt zwar die Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge für die etwa 10 % privat versicherten Kinder, trifft aber keine Aussage dazu, ob Kinder auch dann in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei versichert werden müssen, wenn ein Elternteil mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, der das Einkommen des pflichtversicherten Ehegatten überschreitet, nicht pflichtversichert ist.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss v. 14.6.2011, 1 BvR 429/11.