Leitsatz
Eine auf einem Zahlungsrückstand des Mieters einer Wohnung gegenüber dem Stromversorger beruhende Unterbrechung der Stromlieferung (Ausbau des Stromzählers) führt nicht zu einer Minderung der Miete, da dieser Mangel der Sphäre des Mieters zuzurechnen ist.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 536 Abs. 1
Kommentar
In dem zur Entscheidung stehenden Fall erfolgte die Stromversorgung aufgrund eines zwischen dem Mieter und den Stadtwerken bestehenden Vertrags. Im Frühjahr 2007 kam der Mieter in Zahlungsverzug. Der Stromanschluss wurde daraufhin durch den Netzbetreiber gesperrt, nach Bezahlung des Rückstands aber wiederhergestellt. Die Kosten für die Sperrung und Entsperrung des Anschlusses in Höhe von 89,50 EUR haben die Stadtwerke dem Mieter in Rechnung gestellt. Der Mieter hat die Zahlung verweigert. Daraufhin hat der Netzbetreiber auf Veranlassung der Stadtwerke den Stromzähler ausgebaut. Ein Wechsel auf einen anderen Versorger schlug fehl, weil der Netzbetreiber den Anschluss als "inaktiv" meldete.
Der Mieter hat die Miete nach dem Ausbau des Zählers um 50 % gemindert. Der Vermieter widersprach der Minderung. Er hat das Mietverhältnis wegen des Zahlungsrückstands fristlos gekündigt und den Mieter auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Miete wegen der Unterbrechung der Stromzufuhr gemindert gewesen sei.
Der BGH ist anderer Ansicht: Nach § 536 Abs. 1 BGB hat der Mieter nur eine geminderte Miete zu entrichten, wenn die Mietsache einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt. Der BGH führt hierzu aus, dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung infolge des Ausbaus des Zählers gemindert gewesen sei, weil der Mieter "ohne die Messeinrichtung keinen Strom von einem neuen Versorger beziehen konnte". Gleichwohl sei die Minderung ausgeschlossen, weil der Mangel "der Sphäre des Mieters" zuzurechnen sei. Der Ausbau des Zählers sei nämlich nur deshalb erfolgt, weil sich der Mieter geweigert habe, die Kosten der Sperrung und Entsperrung zu bezahlen. Dieser Vorgang berühre nicht das Mietverhältnis, sondern ausschließlich das Verhältnis des Mieters zu den Stadtwerken.
Ein wichtiger Aspekt wird in der Entscheidung nicht behandelt: Die Rechtsbeziehungen zwischen den Stromversorgern, dem Netzbetreiber, den Gebäudeeigentümern und den Mietern richten sich nach der Niederspannungsanschlussverordnung vom 1.11.2006 (NAV, BGBl. I S. 2466). Die Versorgung mit Strom setzt einen Anschluss an das Stromverteilungsnetz voraus. Dieser wird vom Netzbetreiber hergestellt. Anschlussnehmer ist grundsätzlich der Gebäudeeigentümer (§ 1 Abs. 2 NAV). Zwischen dem Netzbetreiber und dem Anschlussnehmer besteht ein Vertrag, aufgrund dessen der Netzbetreiber verpflichtet ist, den Anschluss herzustellen und für dessen weiteren Betrieb zu sorgen (§ 2 Abs. 1 NAV). Anschlussnutzer ist der Mieter (§ 1 Abs. 3 NAV). Kommt der Mieter gegenüber dem Stromversorger in Zahlungsverzug, so kann der Netzbetreiber die Anschlussnutzung auf Anweisung des Versorgers unterbrechen (§ 24 Abs. 3 NAV). Ein Ausbau des Zählers ist erst nach Kündigung des Anschlussverhältnisses möglich (§§ 25, 26 NAV). Die Kündigung muss gegenüber dem Anschlussnehmer, also dem Gebäudeeigentümer, erfolgen. Gegen einen rechtswidrigen Ausbau des Zählers kann sich der Eigentümer also zur Wehr setzen. Möglicherweise ist er hierzu gegenüber dem Mieter auch verpflichtet (§ 535 Abs. 1 BGB). Insoweit geht auch der BGH davon aus, dass es Sache des Vermieters ist, für einen Stromanschluss zu sorgen (unter Rz. 18).
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 15.12.2010, VIII ZR 113/10, WuM 2011 S. 97