Leitsatz
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob der Unterhaltsverpflichtete auch zur Erfüllung von Trennungs- und nachehelichen Unterhaltsansprüchen den Weg über die Berufung auf Pfändungsfreigrenzen und Verbraucherinsolvenz gehen muss, wenn seine Leistungsfähigkeit durch eine Kreditrate reduziert wird, die bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat.
Sachverhalt
Die Parteien stritten noch um Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar 2004 bis zur Rechtskraft ihrer Scheidung am 23.8.2005.
Der Beklagte erzielte während dieser Zeit lediglich Renten wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder i.H.v. insgesamt 1.345,00 EUR monatlich. Hiervon zahlte er auf den während der Ehe aufgenommenen Anteil eines später umgeschuldeten Kredits monatlich 408,00 EUR. Die Klägerin war nach ihrer früheren Tätigkeit als Bedienung nach einer Knieoperation im November 2002 nur noch eingeschränkt berufstätig. Sie verlor diese Arbeitsstelle im September 2004 wegen Betriebsaufgabe und erzielte seither keine eigenen Erwerbseinkünfte mehr. Seit Januar 2003 erhielt sie - zunächst ergänzend - Sozialhilfe und seit Anfang 2005 Arbeitslosengeld II, jeweils in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe.
Der Streit der Parteien ging in erster Linie darum, ob die Kreditraten des Beklagten, soweit sie den während der Ehezeit aufgenommenen Kredit betrafen, bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind und ob ihn eine Verpflichtung traf zur Sicherstellung des laufenden Trennungsunterhalts Verbraucherinsolvenz zu beantragen.
Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage überwiegend abgewiesen und den Beklagten verurteilt, an die Ehefrau ab Mail 2005 monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 96,00 EUR zu zahlen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG den Beklagten zur Zahlung eines weit höheren Betrages verurteilt.
Hiergegen richtete sich die - vom OLG zugelassene Revision des Beklagten.
Sein Rechtsmittel erwies sich als überwiegend begründet.
Entscheidung
Anders als das OLG hat der BGH keine Verpflichtung des Unterhaltsschuldners gesehen, den Weg über die Berufung auf Pfändungsfreigrenzen und der Verbraucherinsolvenz zu gehen. Es habe dem Unterhaltsschuldner im Rahmen des geschuldeten Trennungsunterhalts nicht oblegen, ein Verfahren der Verbraucherinsolvenz einzuleiten, um den Unterhaltsansprüchen der Klägerin Vorrang vor den - die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden - Kreditverbindlichkeiten zu verschaffen.
Im Hinblick auf die mit der Einleitung der Verbraucherinsolvenz für ihn verbundenen Einschränkung seiner durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Handlungsfreiheit könne dem Unterhaltsschuldner im Verhältnis zu seinem Ehegatten eine Obliegenheit zur Verbraucherinsolvenz nicht auferlegt werden. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen es sich um eine in den ehelichen Lebensverhältnissen angelegte Verschuldung handele, die der unterhaltsbedürftige Ehegatte mit zu verantworten habe.
Eine das Selbstbestimmungsrecht des Unterhaltspflichtigen nachhaltig beeinflussende Obliegenheit zur Verbraucherinsolvenz könne nur dann angenommen werden, wenn es sich um Unterhaltsansprüche minderjähriger oder ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder handele. Ihnen gegenüber bestehe nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil ihr Unterhaltsanspruch nach Art. 6 Abs. 2 und Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützt sei. Hierdurch werde die Beschränkung der in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit gerechtfertigt.
Ein getrennt lebender oder geschiedener Ehegatte könne seinen Unterhalt auch selbst sicherstellen. Der dem minderjährigen Kind gegenüber bestehende Schutzgedanke sei auf den Ehegatten nicht zu übertragen. Dies entspreche auch der nunmehr in § 1609 BGB vom Gesetzgeber geschaffenen Rangfolgenregelung.
Hinweis
Im Hinblick auf die Regelung in § 302 Nr. 1 InsO - RegE enthaltene Regelung, wonach rückständiger Unterhalt, den der Unterhaltsschuldner vorsätzlich und pflichtwidrig nicht gewährt hat, nicht mehr im Wege der Restschuldbefreiung zu erlassen ist, kann jedem Unterhaltsschuldner nur dringend angeraten werden, den Insolvenzantrag alsbald zu stellen und insoweit nicht zögerlich zu handeln.
Aus dem BGH-Urteil ist deutlich zu entnehmen, dass lediglich gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern eine Verpflichtung des Unterhaltsschuldners besteht, seine Leistungsfähigkeit über Vollstreckungsschutz und Verbraucherinsolvenz zu steigern. Begünstigt sind daher nur die erstrangigen Unterhaltspflichten. Alle anderen Unterhaltsberechtigten sind im Fall einer in der Ehe begründeten Überschuldung auf öffentliche Transferleistungen angewiesen, falls sie ihren Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen sichern können.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 12.12.2007, XII ZR 23/06