Leitsatz
Eine 90 qm große Wohnung übersteigt den "angemessenen Wohnbedarf" für einen Ein-Personen-Haushalt: Eine solche Eigentumswohnung muss notfalls verkauft werden, um die Kosten einer Ehescheidung zu tragen. Dies geht aus einem Beschluss des OLG Saarbrücken zu Verfahrenskosten hervor. Es sei zumutbar, zumindest einen Kredit aufzunehmen und der Bank die Wohnung als Sicherheit anzubieten.
Sachverhalt
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ehescheidungsverfahren hatte die scheidungswillige Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe beantragt. Diese wurde ihr jedoch nicht gewährt, da das Familiengericht der Ansicht war, die Frau sei "nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage, die Kosten des Scheidungsverfahren aufzubringen." Notfalls sei sie gehalten, sich die zur Verfahrensführung erforderlichen Mittel durch Verwertung/Belastung des in ihrem Alleineigentum stehenden und aus zwei Wohneinheiten bestehenden Hausanwesens zu verschaffen. Die Verwertung der Immobilie wäre ihr nur dann nicht zuzumuten, wenn diese zum "Schonvermögen" (§ 115 Abs. 3 ZPO) gehören würde.
Die Angemessenheit bestimmt sich u.a. nach der Zahl der Bewohner, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, wobei die Größe der Wohnfläche das wichtigste Kriterium darstellt. Nach Ansicht der Richter überstieg die ca. 90 qm große Wohnung den "angemessenen Wohnbedarf" für einen Ein-Personen-Haushalt und war deshalb bei der Verfahrenskostenhilfeberechnung zu berücksichtigen.
Faustformel: 120 qm für 4 Personen. Die Gerichte orientieren sich dabei regelmäßig an Richtwerten aus Literatur und Rechtsprechung, wonach, ausgehend von einem 4-Personen-Haushalt, für Eigentumswohnungen eine Größe von 120 qm als angemessen angesehen wird. Bei einem Haushalt mit weniger als 4 Personen sind danach pro "fehlender" Person 20 qm abzuziehen. Dass die Verwertung des Hauses für die Frau eine unzumutbare Härte bedeuten würde, was dann der Fall sein kann, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde, konnte das OLG ebenfalls nicht feststellen, sodass es für Einsatz des Hausanwesens zur Bestreitung der Verfahrenskosten keine Hinderungsgründe sah.
Sofern sie das nicht wolle, müsse die Antragstellerin die zur Verfahrensführung erforderlichen Mittel eben durch Kreditaufnahme unter Belastung des Grundstücks zu beschaffen. Es könne von der Verfahrenskostenhilfe begehrenden Partei grundsätzlich verlangt werden, dass sie das Hausgrundstück als Sicherheit für einen Kredit verwendet, wenn es für sie zumutbar ist, einen Kredit für die Verfahrenskosten aufzunehmen.
Link zur Entscheidung
OLG Saarbrücken, Beschluss v. 9.12.2010, 9 WF 113/10.