VVG § 28 Abs. 2; AKB E 1.3
Leitsatz
Kommt ein VN mit seinem Fahrzeug an einem Baum zum Stehen, ohne dass an diesem ein unfallbedingter Schaden erkennbar ist, verletzt er durch Weiterfahrt seine Aufklärungsobliegenheit nicht.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Schweinfurt, Urt. v. 13.4.2017 – 22 O 748/15
Sachverhalt
Der Kl. kam am 29.1.2015 mit seinem bei der Bekl. versicherten Fahrzeug auf schneeglatter Fahrbahn von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug rutsche eine Böschung herab und prallte gegen eine Esche, wo es zum Stehen kam. Im Fahrzeug befanden sich die drei Kinder des Kl. Der Kl. beauftragte die Bergung des Fahrzeugs, die eine Stunde später den Abschleppvorgang ausführte. Die Polizei wurde nicht hinzugezogen. Im Rahmen der Schadensabwicklung wurde mit der Straßenmeisterei G. Kontakt aufgenommen. Diese veranlassten eine Besichtigung des Baumes und stellten fest, dass ein Schaden am Baum nicht entstanden war und keine Wiederherstellungskosten oder Behandlungskosten angefallen seien. Der Kl. trägt vor, an dem Baum sei lediglich etwas Rinde abgeplatzt.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Der Kl. hat einen Anspruch gegen die Bekl. auf Versicherungsleistung i.H.v. 9.300 EUR aus dem zwischen ihnen bestehenden Versicherungsvertrag."
a.) Am Baum ist kein feststellbarer Fremdschaden entstanden. Dies hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben. Auch das erholte Sachverständigengutachten hat keinen nennenswerten Schaden ergeben.
aa.) Der Kl. führte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung aus, das Fahrzeug sei nicht am Baum mit einem lauten Knall abrupt stehen geblieben, sondern es habe sich beim Rutschen auf dem Hang ja schon verlangsamt und sei dort quasi hängengeblieben. Jedenfalls sei es so gewesen, dass nicht einmal die Airbags ausgelöst hätten.
bb.) Der Zeuge C. bekundete im Rahmen seiner Vernehmung, er habe am Baum keinen Schaden festgestellt, der dazu führen würde, dass er entfernt werden müsste. Es sei auch kein landschaftsrelevanter Baum, sondern ein Baum, der am Waldrand stehe. Es handele sich um eine ca. 35–40 cm starke Esche. Er habe dann entschieden, dass hinsichtlich dieses Baumes keine Maßnahmen erforderlich seien. Deshalb habe sich die aufgestellte Summe allein auf die Fahrzeit zur Feststellung bezogen. Dieser Baum, um den es hier konkret gehe, sei aber nur in sehr geringer Art und Weise beschädigt, so dass er sagen würde, das steckt er locker weg.
Zum Zustand des Baumes jetzt könne er sagen, dass es das allgemeine Auftreten von Eschentriebsterben gebe, welches durch einen Pilz verursacht werde, der einen Befall im Juni/Juli zeige. Das sei auch bei dieser Esche der Fall, wobei man aus seiner Sicht nicht sagen könne, dass es etwas mit diesem Anfahrschaden zu tun habe. Der Baum sei auch in verschiedenerlei Hinsicht beeinträchtigt: Zum einen durch seinen nahen Standort zur Straße, so dass auch das Streusalz von der Straße auf ihn einwirke, zum anderen durch den genannten Pilz und dann hinzukommend noch durch den streitgegenständlichen Anfahrschaden.
cc.) Der Sachverständige S. führt in seinem Gutachten aus, die Vorschadensbilanz könne als erheblich eingestuft werden. Der fallgegenständliche Baum sei Bestandteil des Waldes und als Waldbaum Teil einer Produktionsstätte für Holz. Der streitgegenständliche Baum sei von erheblichen Mängeln geprägt, welche aufgrund einer urbanen Wertberechnung einen Totalschaden bedeuten würde. Diese Maßstäbe hätten erst recht zu gelten, wenn der fallgegenständliche Waldbaum anhand seines Ertragswertes berechnet werde.
Aufgrund der massiven Vorschäden (Anfahrschäden als auch wuchsbedingte Strukturschäden) habe die Esche vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis den Wert von Brennholz. Der durch den streitgegenständlichen Unfall zugeführte Schaden habe den Wert des Brennholzes nicht verändert. Sie habe daher keinen Schaden von 3.000 EUR erlitten. Die Esche habe selbst als vollkommen intakter Waldbaum keinen Baumwert von 3.000 EUR.
b.) Die streitgegenständliche Klausel im Versicherungsvertrag ist nicht unwirksam. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nicht intransparent ist, sondern eine zulässige und erforderliche Verallgemeinerung enthält.
c.) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht aber davon überzeugt, dass die Erkennbarkeit eines Schadens, der ein Ausmaß erreicht, der den Kl. zu weiteren Maßnahmen zur Ermöglichung von Feststellungen hätte veranlassen müssen, im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Die Erkennbarkeit ist vom VR zu beweisen (OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 1248; Prölss/Martin/Knappmann, Versicherungsvertragsgesetz, AKB 2008 E.2, Rn 55). Ein Fremdschaden entfällt auch dann, wenn der Schaden so gering ist, dass mit Ansprüchen Dritter nicht gerechnet werden muss.
aa.) Der Berechtigte hat – außer Feststellungskosten – keinen Schaden geltend gemacht. Der Zeuge C. hat die für die Abwägung maßgeblichen Gesichtspunkte auch plausibel und nachvollziehbar erläutert.
bb.) Der Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar und unter Berücksichtigung anderweitiger Feststellungen in einem ...