Leitsatz
Die Parteien stritten u.a. um Kindesunterhalt. Seinen zunächst innegehaltenen Arbeitsplatz als Lkw-Fahrer hatte der Ehemann noch während der Probezeit aus Gründen, die in seiner Person lagen, verloren. Er war dann zunächst arbeitslos und nahm dann eine geringer entlohnte Tätigkeit an. Vom AG wurde er auf der Grundlage fiktiver Erwerbseinkünfte aus seinem gekündigten Arbeitsverhältnis zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt.
Sachverhalt
Die Parteien waren getrennt lebende Eheleute. Die gemeinsamen Kinder, von denen eines in die 1. Altersgruppe und eines in die 3. Altersgruppe der Düsseldorfer Tabelle einzustufen war, lebten seit der Trennung ihrer Eltern in dem Haushalt ihrer Mutter. Die Ehefrau begehrte für sich und die Kinder Unterhalt für die Zeit ab dem 1.6.2004. Der Ehemann war in der Zeit vom 23.5. bis zum 18.11.2005 bei einer Transportfirma als Lkw-Fahrer beschäftigt und erzielte dort ein monatliches Bruttogehalt i.H.v. 1.890,00 EUR. Dieses Arbeitsverhältnis wurde wegen Arbeitsmangels durch den Arbeitgeber beendet. Zuvor war der Ehemann bei einer Firma für Viehtransporte beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis war von dem Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden, nachdem der Ehemann Sonntagsarbeit abgelehnt und ferner eine am Wochenende aufgetretene Erkrankung nicht sofort angezeigt hatte.
Erstinstanzlich wurde der Ehemann auf der Grundlage seiner bei der Firma für Viehtransporte erzielten Einkünfte zur Zahlung von Unterhalt verurteilt mit der Begründung, er habe die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dort selbst verschuldet.
Gegen das erstinstanzliche Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Die Rechtsmittel beider waren teilweise erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach aufseiten des Beklagten fiktiv das Einkommen zu berücksichtigen war, das er bei der Firma für Viehtransporte erhalten hatte und weiterhin hätte erzielen können. Sowohl seine Weigerung, eine Sonntagstour zu übernehmen, als auch die am Montagmorgen unterlassene Mitteilung von dem beabsichtigten Arztbesuch stelle nach Auffassung des OLG leichtfertiges Handeln dar, mit dem der Beklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass sein Arbeitgeber dieses Verhalten zum Anlass nimmt, das Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung während des Probearbeitsverhältnisses zu beenden.
Während der Probezeit müsse ein Arbeitnehmer in besonderem Maße Arbeitseinsatz und Flexibilität zeigen. Dies gelte erst recht für einen gem. § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert Unterhaltspflichtigen. Er müsse alles Zumutbare tun, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten.
Das OLG begründete die fiktive Zurechnung der früheren Einkünfte mit dem unterhaltsbezogenen leichtfertigen Verhalten des Beklagten.
Hinweis
Kernpunkt dieser Entscheidung ist das dem gesteigert Unterhaltspflichtigen vorgeworfene Verhalten. Voraussetzung für die fiktive Zurechnung früherer Einkünfte ist danach, dass die Leistungsunfähigkeit insoweit auf einer schuldhaften Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung beruht. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so werden auch im Fall des § 1603 Abs. 2 BGB nicht die früheren Einkünfte bei der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt, sondern nur diejenigen, die bei Entfaltung umfänglicher Erwerbsbemühungen erzielt werden könnten.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 31.05.2006, 12 UF 65/05