Leitsatz
Ein minderjähriges Kind nahm seine Mutter auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Die Eltern lebten seit spätestens Dezember 2003 voneinander getrennt und waren seit April 2005 geschieden.
Ab Dezember 2003 bezogen beide Eltern zunächst Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG und seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 12.12.2003 übersandte das Sozialamt der Beklagten eine Rechtswahrungsanzeige, mit Schreiben vom 29.6.2005 forderte der Kläger seine Mutter zur Zahlung von Kindesunterhalt auf.
Der Kläger nahm sie auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Regelbetrages ab Dezember 2003 in Anspruch. Die Kindesmutter berief sich auf Leistungsunfähigkeit.
Erstinstanzlich wurde die Klage wegen Leistungsunfähigkeit abgewiesen.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein, verfolgte ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter und beantragte Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz.
Ihr Antrag wurde zurückgewiesen.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach davon auszugehen sei, dass die Beklagte auch unter Berücksichtigung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB zur Deckung des Bedarfs des Klägers nicht leistungsfähig sei.
Tatsächlich werde die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erreichen könnte. Die Beklagte habe bislang weder behauptet noch dargelegt, dass sie ihrer Erwerbsobliegenheit auch nur annähernd nachgekommen sei, da es hierfür zumindest notwendig gewesen wäre, sich auf etwa 20 Arbeitsstellen im Monat zu bewerben, was für den Zeitraum von Januar 2004 bis Mitte 2006 ein Volumen von etwa 600 Bewerbungen bedeutet hätte.
Wegen Verstoßes gegen diese Obliegenheit, sich nachhaltig und ernsthaft um eine Arbeitsstelle zu bemühen, sei das erstinstanzliche Gericht zurecht davon ausgegangen, dass die Beklagte sich fiktiv ein Arbeitseinkommen anrechnen lassen müsse, wobei maximal von einem Bruttoarbeitslohn von 7,00 EUR pro Stunde ausgegangen werden könne. Eine höhere Fingierung komme nicht in Betracht, da sie über keine Berufsausbildung verfüge, Probleme mit der deutschen Sprache habe und darüber hinaus auch über keinen gesicherten ausländerrechtlichen Status verfüge, sondern aufgrund einer Aufenthaltsfiktion ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland jeweils nur für die Dauer von drei Monaten verlängert erhalte.
Mit dem somit erzielbaren Einkommen überschreitet die Beklagte ihren ab 1.7.2005 geltenden notwendigen Lebensunterhalt von 890,00 EUR nicht, so dass ab diesem Zeitpunkt Leistungsunfähigkeit zur Zahlung von Kindesunterhalt vorliege.
Für den Zeitraum vor dem 1.7.2005 habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er seine Mutter zur Zahlung von Kindesunterhalt in Verzug gesetzt habe. Schon aus diesem Grunde könne er gem. § 1613 BGB Unterhalt für die Vergangenheit nicht fordern.
Das Sozialamt habe gegenüber der Beklagten keine Rechte geltend machen können, da ein evtl. bestehender Unterhaltsanspruch nicht auf das Sozialamt übergegangen war, da die Beklagte selbst ebenfalls Sozialhilfe erhalten hatte. Das Sozialamt sei somit zu keinem Zeitpunkt Inhaber eines eventuellen Anspruchs auf Kindesunterhalt gewesen, so dass es die Beklagte auch nicht rechtswirksam hinsichtlich dieses Kindesunterhalts in Verzug setzen konnte.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.09.2006, 16 UF 156/06