Leitsatz
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17.6.2005 zugestellte Schlussurteil hat dieser im Auftrag der Beklagten am 7.7.2005 Berufung eingelegt. Mit am selben Tag beim OLG München eingegangenem Schriftsatz vom 24.08.2005 hat die Beklagte wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in die versäumte Frist beantragt und zugleich die Berufung begründet.
Zu ihrem Wiedereinsetzungsantrag hat die Beklagte vorgetragen, dass weder sie noch ihren Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist treffe. Vielmehr habe die für die Führung des Fristenkalenders geschulte und zuverlässige Rechtsanwaltsgehilfin ihres Prozessbevollmächtigten eigenmächtig aus unerklärlichen Gründen die für die Berufungsbegründung im Fristenkalender eingetragenen Vorfristen vom 3.8.2005 und 11.8.2005 und den Fristenablauf zur Berufungsbegründung am 17.8.2005 gestrichen. Dies sei ihrem Prozessbevollmächtigten erst am 22.8.2005 aufgefallen, als ihm die Akten mit allgemeinen Wiedervorlagen vorgelegt worden seien. Die Rechtsanwaltsgehilfin sei von ihrem Prozessbevollmächtigten regelmäßig kontrolliert worden. Beanstandungen bei Führung des Fristenkalenders hätten sich nie ergeben.
Zur Glaubhaftmachung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs berief sich die Beklagte auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt und die Berufung als unzulässig verworfen.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG ging von einem Organisationsmangel des Prozessbevollmächtigten der Beklagten aus, der kausal für das Streichen der Fristen und damit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewesen sei.
Zwar könne die Führung eines Fristenkalenders einer zuverlässigen und in die Aufgaben eingewiesenen Büroangestellten überlassen werden. Durch eine Organisation seitens mit der Berufungseinlegung beauftragten Rechtsanwalts müsse jedoch sichergestellt werden, dass das eigenmächtige, auch versehentliche Streichen von Fristen im Fristenkalender weitgehend vermieden werde. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten trage in dem Wiedereinsetzungsantrag nicht vor, welche Maßnahmen er getroffen habe, um ein versehentliches Streichen von Fristen im Fristenkalender zu verhindern. So hätte er beispielsweise vortragen müssen, dass in seiner Kanzlei die Anweisung bestehe, ein Streichen von Fristen im Fristenkalender durch die mit der Führung des Fristenkalenders beauftragte Angestellte dürfe nur dann erfolgen, wenn sie nach Rückfrage bei dem sie überwachenden und für die Berufungseinlegung zuständigen Rechtsanwalt die Anweisung erhalten habe, die Frist zu streichen (vgl. hierzu BGH NJW 1992, 2488/2489 a.E.).
Da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist zu Organisationsanweisungen, mit deren Hilfe das Streichen von Fristen im Fristenkalender hätte vermieden werden können, nichts vorgetragen habe, liege ein der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbarer Organisationsmangel ihres Prozessbevollmächtigten vor, der ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist begründe und damit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO entgegenstehe.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 20.09.2005, 12 UF 1208/05