Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bei einem der Partei zurechenbaren Organisationsmangel ihres Prozessbevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird die Führung eines Fristenkalenders einer zuverlässigen und in die Aufgabe eingewiesenen Büroangestellten überlassen, muss durch die Organisation seitens des mit der Berufungseinlegung beauftragten Rechtsanwalts sichergestellt werden, dass das eigenmächtige, auch versehentliche Streichen von Fristen im Fristenkalender weitgehend vermieden wird.

2. Fehlt eine solche Organisationsanweisung, liegt ein der Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbarer Organisationsmangel ihres Prozessbevollmächtigten vor, der ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist begründet und einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegensteht.

 

Normenkette

ZPO § 522 Abs. 1, § 85 Abs. 2, § 233

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Urteil vom 10.06.2005; Aktenzeichen 2 F 212/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 05.03.2008; Aktenzeichen XII ZB 186/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des AG Rosenheim vom 10.6.2005 wird verworfen.

II. Der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.301,22 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beklagte ist durch Vorbehaltsurteil des AG Rosenheim vom 25.4.2002 verurteilt worden, an den - mittlerweile am 18.9.2002 verstorbenen - dortigen Kläger einen Zugewinnausgleich i.H.v. 30.677,51 EUR zu bezahlen.

Die hiergegen eingelegte Berufung ist zurückgenommen worden.

Die Kläger sind gem. Erbschein des AG Rosenheim vom 27.12.2002 die Erben des früheren Klägers, die den Anspruch des Erblassers als Erbengemeinschaft weiter verfolgen.

Die Miterbin ... ist am 1.1.2004 verstorben. Sie wurde von den Klägerinnen zu 2)-4) beerbt.

Mit Schlussurteil vom 10.6.2005 hat das AG Rosenheim das Vorbehaltsurteil des AG Rosenheim unter Wegfall des Vorbehalts aufrechterhalten.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17.6.2005 zugestellte Schlussurteil hat dieser im Auftrag der Beklagten am 7.7.2005 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 24.8.2005, am selben Tag beim OLG München eingegangen, hat die Beklagte wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in die versäumte Frist beantragt und zugleich die Berufung begründet.

Zu ihrem Wiedereinsetzungsantrag trägt die Beklagte vor, dass weder sie noch ihren Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist treffe. Vielmehr habe die für die Führung des Fristenkalenders geschulte und zuverlässige Rechtsanwaltsgehilfin ihres Prozessbevollmächtigten, ... eigenmächtig aus unerklärlichen Gründen die für die Berufungsbegründung im Fristenkalender eingetragenen Vorfristen vom 3.8.2005 und 11.8.2005 und den Fristenablauf zur Berufungsbegründung am 17.8.2005 gestrichen. Dies sei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten erst am 22.8.2005 aufgefallen, als ihm die Akten mit allgemeinen Wiedervorlagen vorgelegt worden seien. Die Rechtsanwaltsgehilfin ... sei von ihrem Prozessbevollmächtigten regelmäßig kontrolliert worden; Beanstandungen bei Führung des Fristenkalenders hätten sich nie ergeben.

Zur Glaubhaftmachung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs beruft sich die Beklagte auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin ...

Die Klägerinnen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten.

II. Die Berufung der Beklagten ist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig und daher gem. § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beklagten nicht zu gewähren, weil sie nicht ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das der Beklagten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat.

1. Da das angefochtene Schlussurteil an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17.6.2005 zugestellt worden ist, endete die Frist zur Berufungsbegründung gem. § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO am 17.8.2005. Die Berufungsbegründungsfrist wurde bis zu diesem Tag auch nicht durch den Vorsitzenden des zuständigen 12. Senats des OLG München verlängert.

Der Tod der Miterbin ... hat auf den Lauf der Fristen keinen Einfluss, da hierdurch keine Unterbrechung des Rechtsstreits eingetreten ist (§ 246 Abs. 1 ZPO).

Die am 24.8.2005 eingegangene Berufungsbegründung ist somit verspätet.

Gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO ist die Berufung daher als unzulässig zu verwerfen.

2. Der Beklagten ist auch auf ihren Antrag hin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gem. § 233 ZPO zu gewähren.

a) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gem. § 233 ZPO voraus, dass die Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO) ohne das Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) ...

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