Leitsatz
Das OLG Schleswig hat sich in dieser Entscheidung mit den Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nach fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung auseinandergesetzt. In der zugrunde liegenden Fallkonstellation war die Partei anwaltlich vertreten.
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin wandte sich mit der Beschwerde gegen eine gerichtliche Umgangsregelung, die noch nach altem Verfahrensrecht ergangen war.
Mit Beschluss vom 5.10.2010 hatte das Familiengericht den Umgang dahingehend geregelt, dass der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Bereich des Umgangsrechts entzogen und eine Umgangspflegerin eingesetzt wurde. Gemäß der Rechtsmittelbelehrung dieses am 13.10.2010 zugestellten Beschlusses sollte die Beschwerde beim AG eingelegt werden.
Die Beschwerde wurde dort per Fax am 15.11.2010 eingelegt. Am 18.11.2010 gingen die Akten beim OLG ein, das die Beschwerde der Antragsgegnerin als unzulässig zurückwies.
Entscheidung
Das OLG wies darauf hin, dass der Eingang der Beschwerde beim Familiengericht am 15.11.2010 die Beschwerdefrist nicht gewahrt habe. Gemäß §§ 621e Abs. 1, 3, 517 ZPO a.F. sei die Beschwerde binnen Monatsfrist nach Zustellung der Entscheidung beim Beschwerdegericht einzulegen. Nachdem die angegriffene Entscheidung am 13.10.2010 zugestellt worden sei, hätte die Beschwerde bis zum 15.11.2010 eingehen müssen. Tatsächlich sei sie jedoch erst am 18.11.2010, mithin nach Ablauf der Beschwerdefrist, durch Übersendung der Akten beim OLG eingegangen.
Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung führe auch nicht dazu, dass - etwa im Wege der Meistbegünstigung - eine Geltung des FamFG anzunehmen sei, so dass die Beschwerdefrist durch Einlegung der Beschwerde beim FamFG gewahrt wäre. Das Familiengericht habe nicht der Form nach fehlerhaft entschieden, sondern neben einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung falsches Verfahrensrecht angewandt.
Wiedereinsetzung könne der Antragsgegnerin nicht gewährt werden. Voraussetzung hierfür sei, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert gewesen sei, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung lägen nicht vor. Die Antragsgegnerin habe die Beschwerdefrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruhe auf einem (Mit-)Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, dass sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
Die Vermutung fehlenden Verschuldens greife nur, wenn die Fristversäumung auf der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung beruhe, also die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung für die Versäumung der Rechtsmittelfrist ursächlich gewesen sei.
Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts sei regelmäßig nicht unverschuldet. Der Rechtsanwalt müsse die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kämen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts könne als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte die volle von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewandt habe, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei sei ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH, FamRZ 2011, 100 ff.).
Sei die Rechtslage zweifelhaft, müsse der bevollmächtigte Anwalt den sichereren Weg wählen. Bei Unklarheit über das anzuwendende Recht hätte er die Beschwerde sowohl beim Familiengericht als auch beim OLG innerhalb der Beschwerdefrist einlegen oder die Beschwerde beim AG mehrere Tage vor Fristablauf einlegen können. Das Rechtsmittel hätte dann rechtzeitig an das OLG weitergeleitet werden können.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 01.02.2011, 10 UF 254/10