Rz. 24
Zuletzt stellt sich die Frage, wann ein besonderes öffentliches Interesse an völliger Transparenz des Grundbuchinhalts oder wenigstens an Grundbucheinsicht besteht. Erörtert wird dies zumeist am Interesse der Presse an einer Grundbucheinsicht. Dabei darf die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht pauschal und schrankenlos als Argument für ein Einsichtsrecht herangezogen werden. Auch die Pressefreiheit unterliegt kollidierenden Schranken durch die Grundrechte anderer.
Prominent hatte der BGH im Jahre 2011 über die Grundbucheinsicht beim damaligen Bundespräsidenten zu entscheiden, durch welche ein Journalist durch Einsicht in Abteilung III des Grundbuchs die Finanzierung der Immobilie herauszufinden glaubte. Der BGH betonte unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass in einer Abwägung der Grundrechte das Interesse der Presse an der Kenntnisnahme des Grundbuchinhalts sich als gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Eingetragenen vorrangig erweist, wenn es sich um eine Frage handelt, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht – was vorliegend mit Blick auf die herausgehobene politische Stellung eines der Eigentümer der Fall war – und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient. Dabei darf das Grundbuchamt auch keine Vorauswahl treffen, indem es Einsicht nur auf bestimmte Abteilungen des Grundbuchs gewährt. Zu einer solchen Beurteilung ist das Grundbuchamt jedenfalls dann nicht befugt, wenn sich die journalistische Recherche nach dem Inhalt des Gesuchs auf einen Sachverhalt bezieht, der nicht durch eine unmittelbar aus dem Inhalt des Grundbuchs zu erzielende Information zu klären ist. In einem solchen Fall darf das Grundbuchamt der Presse nicht vorschreiben, welche Teile des nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO in seiner Gesamtheit – wenn auch beschränkt durch das Erfordernis eines berechtigten Interesses – der Kenntnisnahme durch Dritte zugänglichen Grundbuchs für die Recherche von Nutzen sein können. Ob im Rahmen der Abwägung der Grundrechte dem betroffenen Eigentümer rechtliches Gehör gewährt werden soll, klärte der BGH leider nicht. Überwiegend wird die Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Einsicht abgelehnt. Soweit aber eine Gefährdung des Recherchezweckes nicht zu befürchten ist, sollte sie in Betracht gezogen werden (dazu § 12 GBO Rdn 15). Immerhin erklärte der Betroffene in einem späteren Fernsehinterview, dass er bis zur Entscheidung des BGH von dem Begehren auf Grundbucheinsicht keinerlei Kenntnis hatte. Und unabhängig davon fragt sich der des Grundbuchwesens kundige Leser, was denn mit einer Einsichtnahme in Abteilung III des Grundbuchs wirklich festgestellt werden wollte. Die Finanzierung einer Immobilie muss erstens keineswegs grundbuchlich gesichert werden. Hätte zweitens der Eigentümer die Finanzierungsverhältnisse verschleiern wollen, hätte er dies legal beispielsweise durch Bestellung und Abtretung einer Eigentümerbriefgrundschuld (§§ 1196, 1192, 1154 Abs. 1 BGB) tun können. Die Meinung, aus Eintragungen in Abteilung III könne man zwingend auf Finanzierungsverhältnisse schließen, ist schon arg naiv.
Rz. 25
Mit Beschluss vom 9.1.2020 lehnte der BGH dagegen das Einsichtsgesuch eines Mitglieds des Abgeordnetenhauses von Berlin ab. Im Sachverhalt der Entscheidung des KG erreichte die in hohem Maße kontrovers geführte politische Debatte um Enteignungen oder die Vergesellschaftung privater Grundstückseigentümer und Wohnungsunternehmen im Land Berlin auch das Grundbuchrecht. Das Einsichtsbegehren wurde auf Art. 45 Abs. 2 der Berliner Verfassung gestützt, wonach jeder Abgeordnete das Recht hat, Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung zu nehmen. Die Einsichtnahme darf danach nur abgelehnt werden, soweit überwiegend öffentliche Interessen einschließlich des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung oder überwiegende private Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend erfordern. Das Einsichtsbegehren hatte konkret den Zweck, zu erforschen, welche Unternehmen Eigentümer einer Gesamtheit von Wohnimmobillien sind, um der Forderung nach ihrer möglichen Vergesellschaftung Ausdruck verleihen zu können. Zutreffend lehnte der BGH eine Grundbucheinsicht ab. Einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages oder der Volksvertretung eines Landes steht nämlich nicht allein aufgrund seiner Stellung als Abgeordneter ein Anspruch auf Grundbucheinsicht zu. Die Kontrollfunktion der Parlamente gegenüber Regierung und Verwaltung kann ein öffentliches Interesse an der Grundbucheinsicht nur begründen, wenn die Grundbucheinsicht der Aufklärung von Missständen oder Fehlverhalten im Bereich der Exekutive dient und nicht lediglich allgemeinen Informationszwecken.
Rz. 26
Schwierig ist die Abgrenzung zwischen sachlichem öffentlich Interesse und Berichterstattung des Boulevardjournalismus: Beispiel ist ein Sachverhalt, der seriöse sachliche Berichterstattung zum Gegenstand haben kann, vielleicht aber a...