Rz. 60

Durch das sog. Risikobegrenzungsgesetz v. 12.8.2008 (BGBl I 2008, 1666) verschärfte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Abtretung einer nicht valutierten Grundschuld; er kodifizierte zudem mit § 1192 Abs. 1a BGB den Begriff der Sicherungsgrundschuld.[145]

Kernpunkte der Änderungen sind folgende:

Der gutgläubig einredefreie Erwerb der Sicherungsgrundschuld ist ausgeschlossen (§ 1192 Abs. 1a mit Ausschluss des § 1157 S. 2 BGB).
Das Grundschuldkapital der Sicherungsgrundschuld kann nicht mehr als sofort fällig bestellt werden (§ 1193 Abs. 2 S. 2 BGB); die zwingende Kündigungsfrist beträgt sechs Monate (§ 1193 Abs. 1 S. 2 BGB).[146]

Die Neuregelungen sind auf Grundschulden anzuwenden, die nach dem 19.8.2008 erworben worden sind (Art. 229 § 18 Abs. 2 und 3 EGBGB).

Bei der Grundbucheintragung besteht kein Bedürfnis dafür, die Sicherungsgrundschuld des § 1192 Abs. 1a BGB als solche zu bezeichnen.[147] Die vorstehend genannten Beschränkungen des öffentlichen Glaubens benötigen als negative Tatbestände gerade keiner Grundbucheintragung zur Wirksamkeit. Ferner kann die Sicherungsgrundschuld mit Wegfall des Sicherungszwecks und Übertragung insbes. an den Eigentümer ihren Charakter verlieren und zur "normalen" Grundschuld werden, die Bezeichnung "Sicherungsgrundschuld" im Grundbuch wäre dann unrichtig.

Wolfsteiner bezeichnet insbes. die Neuregelung mit scharfen Worten als "politisch motivierten Schnellschuss, durch den das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden ist".[148] Er sieht § 1192 Abs. 1a BGB ferner als "weiteren Sargnagel im Prozess der Paralysierung des deutschen Grundbuchs".[149] Dem ist zuzustimmen. Insbesondere der Ausschluss des einredefreien Erwerbs der Sicherungsgrundschuld führt zu einer Entwertung dieses Kreditsicherungsmittels hinter die Sicherungshypothek nach §§ 1184 ff. BGB. Eine Sicherungsgrundschuld i.S.d. § 1192 Abs. 1a BGB liegt vor, wenn zwischen Grundschuld und gesicherter Forderung ein Sicherungsvertrag besteht, der sowohl Grundstückseigentümer als auch Gläubiger entsprechend verpflichtet.[150] Die Eigenschaft als Grundschuld kann nachträglich verloren gehen, insbes. bei Trennung von Sicherungsgeber und Eigentum oder Rückgewähr der Grundschuld durch Übertragung.

 

Rz. 61

Als Einreden, welche mit Ausschluss des § 1157 BGB auch dem neuen Gläubiger entgegengehalten werden können, sollen solche aus dem Sicherungsvertrag zu verstehen sein, auch wenn sie erst nach der Abtretung der Grundschuld zur eigentlichen Entstehung kommen.[151] Die Rspr. sah dies bislang anders.[152] War die Grundschuld bereits vor dem 19.8.2008 einredefrei erworben worden, führt eine spätere Abtretung nicht zur Anwendung des § 1192 Abs. 1a BGB.[153]

Der Ausschluss der sofortigen Fälligkeit nach § 1193 Abs. 2 S. 2 BGB betrifft im Ergebnis den Anspruch aus der Grundschuld sowie das abstrakte Schuldversprechen;[154] jedoch nicht das gesicherte Forderungskapital.[155] Für die Vollstreckungspraxis unklar ist hier, ob die Kündigung nach § 1193 Abs. 1 BGB ein bei Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung nachzuweisender Umstand i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO, ob der Eigentümer als Schuldner den Gläubiger von der Nachweispflicht befreien kann (eingehend Rdn 67 ff.).

[145] Allg. Bachner, DNotZ 2008, 644; Bock, DRiZ 2008, 243; Fest, ZfIR 2008, 657; Redeker, ZIP 2009, 208; Zimmer, NotBZ 2008, 386.
[146] Nach SchlOLG, Urt. v. 19.12.2013 – 5 U 91/13, juris, soll die Frist abdingbar sein.
[147] Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1191 Rn 10; MüKo-BGB/Lieder, § 1191 Rn 92; Bauer/Schaub/Bauer, AT A Rn 33; Ollbrich, ZfIR 2013, 405.
[148] Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1192 Rn 31.
[149] Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1192 Rn 32.
[150] BGH NJW 2014, 1450 = ZIP 20014, 817; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1192 Rn 37.
[151] BT-Drucks 16/9821, S. 16; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1192 Rn 43.
[152] BGHZ 59, 1; BGH WM 1976, 665; eingehend Serick; Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. II § 28 III. 3.
[153] BGH NJW 2014, 550 = Rpfleger 2014, 128.
[154] BGH DNotZ 2018, 211 = MittBayNot 2017, 618 = NJW 2017, 2469 = ZNotP 2017, 237; dazu Volmer, MittBayNot 2017, 560; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1193 Rn 9, 10; abl. MüKo-BGB/Lieder, § 1193 Rn 15, 16.
[155] Staudinger/Wolfsteiner, BGB, § 1193 Rn 8.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?