Rz. 32
Die autonome Kollisionsnorm des Art. 24 EGBGB spielt wegen der gem. Art. 3 EGBGB vorrangigen Staatsverträge, insbesondere KSÜ und ESÜ eine untergeordnete Rolle. Der praktische Anwendungskorridor ist schmal. Unter die Vorschrift fallen Betreuung, Pflegschaft und Vormundschaft als sog. Fürsorgeverhältnisse (Art. 24 Abs. 1 EGBGB). Nicht hierher gehört allerdings die Amtsvormundschaft nach §§ 1786, 1787 BGB, soweit für die Anwendbarkeit dieses Institutes eine entsprechende versteckte Kollisionsnorm im Gesetz enthalten ist. Auch die Beistandschaft (§ 1717 BGB) fällt nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 EGBGB, da mit § 1717 BGB eine vorgehende Kollisionsregel existiert. Bezeichnet eine ausländische Rechtsordnung das kraft Gesetzes bestehende Sorgerecht der Eltern bzw. eines Elternteiles als Vormundschaft, so handelt es sich hierbei nicht um eine Vormundschaft im Sinne des Art. 24 Abs. 1 EGBGB, sondern es gilt KSÜ bzw. Art. 21 EGBGB. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 EGBGB in der Neufassung durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 sind Vormundschaften im Sinne des Gesetzes solche, die kraft Gesetzes oder durch Rechtsgeschäft (z.B. Testament) entstehen. Pflegschaften im Sinne des Art. 24 Abs. 1 EGBGB sind auch solche, die die elterliche Sorge ergänzen.
Rz. 33
Geht es um Entstehung, Ausübung, Änderung und Ende einer gesetzlichen oder auf Rechtsgeschäft beruhenden Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft (sog. Fürsorgeverhältnis), so verweist Art. 24 Abs. 1 EGBGB in seiner Neufassung durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 auf das Recht des Staates, in dem das Mündel bzw. der Betreute oder Pflegling (sog. Fürsorgebedürftiger) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber nicht zu einer Veränderung der Rechtslage führen (ausgenommen die Maßnahmen des Zuzugsstaates mit Blick auf das Fürsorgeverhältnis). Maßnahmen, die im Inland in Bezug auf ein Fürsorgeverhältnis in der Sichtweise des Art. 24 Abs. 1 EGBGB angeordnet werden, und die Ausübung dieses Fürsorgeverhältnisses unterliegen dem deutschen Recht, Art. 24 Abs. 2 EGBGB n.F. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen kommt es nicht an. Erfasst sein sollen insbesondere Handlungen des Betreuers oder Vormunds. Besteht allerdings mit dem Recht eines anderen Staates eine wesentlich engere Verbindung als mit dem deutschen Recht, so kann das Recht dieses Staates angewendet werden, Art. 24 Abs. 2 S. 2 EGBGB n.F. Soweit eine ausländische Fürsorgeentscheidung im Inland nach Maßgabe von §§ 108 ff. FamFG anzuerkennen ist, richtet sich deren Ausübung im Inland nach deutschem Recht.
Rz. 34
Die Verweisung in Art. 24 Abs. 1 EGBGB ist Gesamtverweisung, so dass eine etwaige Rück- oder Weiterverweisung der verwiesenen Rechtsordnung Beachtung finden muss. Die bei der Vormundschaft etwa auftretende Vorfrage, ob die als Mündel in Betracht kommende Person geschäftsfähig ist oder nicht, ist anhand des von Art. 7 Abs. 2 EGBGB berufenen Rechts zu beantworten; die etwaige weitere Vorfrage, ob eine Person unter elterlichem Sorgerecht steht, entscheidet sich nach Art. 21 EGBGB.
Rz. 35
Soweit das Gesetz von der Ausübung der Betreuung, Vormundschaft bzw. Pflegschaft spricht, meint es auch die Befugnisse des Betreuers, Vormunds bzw. Pflegers, insbesondere seine Vertretungsmacht samt deren Umfang, das Bestehen und die Reichweite eines Einwilligungsvorbehaltes sowie Einschränkungen durch Genehmigungserfordernisse, etwa durch das Gericht.
Rz. 36
Die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Anordnung oder Aufhebung einer Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft richtet sich nach Art. 22 ff. ESÜ bzw. aufgrund Art. 24 Abs. 3 EGBGB nach den §§ 108, 109 FamFG (siehe auch Rdn 13). Soweit eine ausländische Fürsorgeentscheidung im Inland nach Maßgabe von §§ 108 ff. FamFG anzuerkennen ist, richtet sich deren Ausübung im Inland nach deutschem Recht.
Auch für den Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vormunds, Pflegers oder Betreuers ist Verkehrsschutz entsprechend Art. 13 Rom I-VO bzw. Art. 12 EGBGB zu gewähren. Im Anwendungsbereich des KSÜ ist vorrangig dessen Art. 19 zu beachten, im Anwendungsbereich des ESÜ dessen Art. 17.