Rz. 2
§ 5 Abs. 1 GBBerG bestimmt, dass alle zugunsten natürlicher Personen eingetragenen unveräußerlichen und unvererblichen Rechte zu einem bestimmten Zeitpunkt erlöschen. Solche Rechte sind Dienstbarkeiten, Wohnungsrechte und Nießbrauchsrechte, die kraft Gesetzes nicht veräußerlich sind und mit dem Tod des Berechtigten erlöschen, §§ 1059, 1061 BGB. Umgekehrt gilt § 5 GBBerG nicht bei der Grunddienstbarkeit. Ist hier das herrschende Grundstück unbekannt, kann unter den Voraussetzungen von § 6 GBBerG ein Aufgebotsverfahren durchgeführt werden. Es können auch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast als unveräußerlich und unvererblich bestellt worden sein, auch dann gilt § 5 GBBerG. Steht das Recht mehreren Berechtigten zu, und kommt § 5 GBBerG nur bei einzelnen Berechtigten in Betracht, ist je nach Berechtigungsverhältnis zu prüfen, ob das Recht weiter bestehen bleibt. Typisch ist dies bei einem Wohnungsrecht in Gesamtberechtigung nach § 428 BGB, bei welchen nach Wegfall eines Berechtigten das Recht für den oder die weiteren Berechtigten fortbesteht.
Rz. 3
Der Zeitpunkt, zu dem solche Rechte erlöschen, orientiert sich an dem vermuteten Lebensalter des Berechtigten. Das Recht gilt mit dem Erreichen des 110. Geburtstags des Berechtigten als erloschen, wenn dieser nicht innerhalb von vier Wochen ab diesem Zeitpunkt gegenüber dem Grundbuchamt auf den Fortbestand des Rechts bestehe. Die Vorschrift ist wortgetreu anzuwenden, sie ermöglicht keine Vermutungen dahingehend, dass ein einhundert Jahre alter Berechtigter nicht mehr lebe.
Streitig ist, ob es sich dabei um einen materiellen Erlöschenstatbestand handelt oder um eine gesetzliche Vermutung, dass das Recht erloschen sei, weil der Berechtigte vermutlich nicht mehr lebe. Sicherlich geht das Gesetz davon aus, dass das Alter von 110 Jahren niemand erreicht. Durch die vierwöchige Widerspruchsfrist wird aber deutlich, dass das Recht auch dann erlöschen soll, wenn der Berechtigte noch lebt; er soll sich gerade durch die vierwöchige Widerspruchsfrist vor dem Erlöschen schützen können. Betrachtet man die gesetzliche Regelung nur als Fiktion, würde mit der Löschung das Grundbuch unrichtig, wenn der Berechtigte noch lebt. Es gelten dann §§ 891, 892 BGB und durch gutgläubigen Grundstückserwerb eines Dritten würde das Recht auch materiellrechtlich erlöschen.
Ist der Geburtstag des Berechtigten aus dem Grundbuch nicht ersichtlich, gilt das Eintragungsdatum zur Berechnung des 110. Geburtstages. Da nach dem früheren Wortlaut des § 15 GBV die Eintragung des Geburtsdatums nicht vorgeschrieben war, ist der Ansatz des Eintragungsdatums sinnvoll, da dies zudem zugunsten des Berechtigten wirkt. War der 110. Geburtstag am 25.12.1993 (Inkrafttreten des Gesetzes) bereits abgelaufen, begann die Widerspruchsfrist mit Inkrafttreten des Gesetzes.
Der denkbare Widerspruch des Berechtigten muss nach dem 110. Geburtstag erklärt sein, er bedarf nicht der Form des § 29 GBO.
Rz. 4
Verfassungsrechtlich ist der eigenständige Erlöschenstatbestand neben § 1061 BGB bedenklich, weil er eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG darstellt, die nur durch die Widerspruchsfrist haltbar sein mag, weshalb die verfassungskonforme Auslegung in ihr auch lediglich eine Vermutung sieht. Gegenüber möglicherweise noch lebenden 110-jährigen Berechtigten kann der Erlöschenstatbestand als ein Affront bezeichnet werden, denn wer denkt an seinem 110. Geburtstag schon an die vierwöchige Widerspruchsfrist? In der Rechtspraxis hat sich die Regelung des § 5 Abs. 1 GBBerG aber durchaus bewährt, da ihr die lebensnahe Vermutung zugrunde liegt, der Berechtigte sei bereits früher gestorben.