Rz. 59

Eine Unrichtigkeit kann sich ebenfalls aus der unrichtigen Anlegung des Grundbuchs ergeben, namentlich wenn vor dem jeweiligen Zeitpunkt der Anlegung des Reichsgrundbuchs (Art. 187 Abs. 1 S. 1, 186 EGBGB) entstandene Rechte (zuvorderst Dienstbarkeiten) niemals in das Grundbuch eingetragen wurden. Nach Art. 187 Abs. 1 S. 1 EGBGB bedürfen diese Rechte zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs grundsätzlich nicht der Eintragung.[126] Ihre Nichteintragung bewirkt mithin grundsätzlich nicht, dass sie nach § 892 Abs. 1 S. 1 BGB erlöschen oder einen Rangverlust erleiden.[127] Obgleich mithin ein Verlust des Rechts durch einen gutgläubigen Erwerb nicht droht, erkennt die h.M. an,[128] dass eine bestehende altrechtliche Dienstbarkeit im Verfahren nach Abs. 1 S. 1 eingetragen, das Grundbuch auf diese Weise also berichtigt werden kann. Insoweit ergibt sich ein Widerspruch zur Grundannahme, dass § 22 GBO nur Anwendung findet, soweit ein Anspruch nach § 894 BGB besteht (vgl. Rdn 9). Dieser Widerspruch lässt sich nur mit einer entsprechenden Anwendung des § 894 BGB in derartigen Konstellationen beseitigen, die darauf beruht, dass andernfalls kaum überbrückbare praktische Probleme bestünden, das Recht auch gegen Rechtsnachfolger im Eigentum durchzusetzen, so dass in diesen Fällen, obgleich das Recht nicht gutgläubig erlöschen kann, ebenfalls ein Anspruch auf Berichtigung gegen den Eigentümer besteht. Ein solcher Anspruch wird zusätzlich gestützt durch die Verlustmöglichkeit des § 8 GBBerG, die zwar keinen gutgläubigen Erwerb gestattet, allerdings eine Rechtsverlust anordnet, wenn eine Eintragung nicht erfolgt. Die Berichtigung im Grundbuch selbst erfordert den formgerechten Nachweis, dass die behaupteten Rechte mit einem bestimmten Inhalt zugunsten des betreffenden Grundstücks als private Rechte entstanden und nicht wieder erloschen sind.[129]

 

Rz. 60

Ein Erlöschen der nicht eingetragenen altrechtlichen Dienstbarkeiten kann (abgesehen von den allgemeinen Grundsätzen) aus diversen Sondervorschriften resultieren: So erlischt ein solches Recht in Bayern nach Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 S. 1 BayAGBGB durch zehnjährige Nichtausübung,[130] wobei nach einer Ansicht das GBA ohne weiteren Nachweis vom Fristablauf (und damit Erlöschen des Rechts) ausgehen dürfen soll, soweit die von der Dienstbarkeit umfasste Nutzung infolge technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen nicht mehr in Betracht kommt.[131] Desgleichen bestimmt § 8 Abs. 1 GBBerG das Erlöschen bestimmter nicht eingetragener beschränkter dinglicher Rechte für den Fall, dass das Recht nicht bis zum Ablauf der dort bestimmten (durch § 13 SachenR-DV verlängerten) Frist vom Eigentümer anerkannt und zur Eintragung bewilligt oder gerichtlich geltend gemacht wurde.[132]

 

Rz. 61

Der die Eintragung der altrechtlichen Dienstbarkeit begehrende Antragsteller hat im Rahmen des Abs. 1 S. 1 das Bestehen des einzutragenden Rechts nachzuweisen, wozu auch der Nachweis gehört, dass die Dienstbarkeit nicht erloschen ist,[133] außer Betracht bleiben können insoweit nur ganz entfernte Möglichkeiten.[134]

[126] Das Landesrecht kann insoweit aber Gegenteiliges bestimmen (Art. 187 Abs. 2 EGBGB), vgl. hierzu: Staudinger/Hönle/Hönle, Art. 187 EGBGB Rn 8 ff.
[127] Dieses Privileg findet jedoch keine Anwendung mehr, wenn das Recht einmal eingetragen war, aber zu Unrecht gelöscht wurde, siehe BGHZ 104, 139 = Rpfleger 1988, 353 = DNotZ 1989, 146.
[128] OLG Jena Rpfleger 2000, 210 = OLG-NL 2000, 135; OLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 304; Rpfleger 2003, 645, 646 = IBRRS 2003, 2492; BayObLGZ 2003, 278, 279 = Rpfleger 2004, 156; Meikel/Böttcher, § 22 Rn 27 m.w.N.
[129] OLG München NJOZ 2017, 909 für altrechtliche Wasserrechte.
[130] OLG München NZM 2014, 607 m.w.N. (auch zum Begriff der Ausübung und zur Fristberechnung); vgl. auch: OLG München MittBayNot 2014, 47 und MittBayNot 2014, 54 m. Anm. Zeiser.
[131] BayObLGZ 2003, 278, 280 f. = Rpfleger 2004, 156 (Eiskeller).
[132] Hierzu eingehend: Böhringer, NJ 2010, 146; Eickmann/Böhringer, § 8 GBBerG Rn 1 ff.; Salzig, NotBZ 2006, 247.
[133] BayObLGZ 1989, 203; OLG München NZM 2014, 607; Demharter, § 22 Rn 21.
[134] BGH FGPrax 2023, 145, 146; BayObLGZ 1988, 102, 107; OLG Karlsruhe Rpfleger 2002, 304 = IBRRS 2002, 1720; Demharter, § 22 Rn 21.

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