Gesetzestext
(1) Der Hypothekenbrief ist dem Eigentümer des Grundstücks, im Falle der nachträglichen Erteilung dem Gläubiger auszuhändigen.
(2) Auf eine abweichende Bestimmung des Eigentümers oder des Gläubigers ist die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 entsprechend anzuwenden.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 60 GBO regelt die Aushändigung des erteilten Briefes. Grundsätzlich soll er nach Abs. 1 der Norm vom Grundbuchamt dem Eigentümer ausgehändigt werden. Nach § 1117 Abs. 1 BGB erwirbt der Gläubiger die Briefhypothek erst, wenn ihm der Brief von dem Eigentümer des Grundstücks übergeben wird. Nach § 1163 Abs. 2 BGB steht die Hypothek bis zur Übergabe des Briefes an den Gläubiger dem Eigentümer zu. Durch diesen Mechanismus kann die Übertragung der Hypothek auf den Gläubiger mit dem Entstehen der Forderung, insbes. bei Darlehenshingabe, gleichsam als Zug-um-Zug-Leistung erfolgen. Seitens der Kreditwirtschaft wird das Briefgrundpfandrecht gerade deshalb aber auch aus schwerfällig und in seiner Entstehung für den Gläubiger ungünstig bezeichnet.
Gem. § 1117 Abs. 2 BGB kann die Übergabe durch die Vereinbarung ersetzt werden, dass der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief unmittelbar vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen. In diesem Fall erwirbt der Gläubiger die Hypothek unmittelbar mit Grundbucheintragung (Direkterwerb), § 1163 Abs. 2 BGB wird umgangen. In den seltenen Fällen der Bestellung eines Briefgrundpfandrechts wird in der heutigen Kreditpraxis daher regelmäßig § 1117 Abs. 2 BGB vereinbart; formularmäßige Vereinbarung in den Grundpfandrechtsurkunden als allgemeine Geschäftsbedingung ist zulässig. Als dingliche Vereinbarung soll § 1117 Abs. 2 BGB unwiderruflich sein.
Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen § 1117 Abs. 1 und 2 BGB mit der verfahrensrechtlichen Unterscheidung zwischen Abs. 1 und Abs. 2 im Falle nachträglich eintretender Verfügungsbeeinträchtigungen des Eigentümers – insbes. bei Insolvenzeröffnung, da § 878 BGB im Falle der "regulären" Briefrechtsbestellung nach § 1117 Abs. 1 BGB keine Anwendung finden kann, weil die Grundbucheintragung nicht der letzte zum Rechtserwerb erforderliche Tatbestand ist. Gleiches gilt für § 892 Abs. 2 BGB bei möglichem gutgläubigem Erwerb. Mit § 1117 Abs. 2 BGB erwirbt der Gläubiger das Grundpfandrecht bereits mit Grundbucheintragung, sodass sowohl § 878 BGB als auch § 892 Abs. 2 BGB Anwendung finden können.
Hinsichtlich der möglichen Anfechtbarkeit einer Grundpfandrechtsbestellung durch den Insolvenzverwalter (§§ 129 ff. InsO) oder auch bei Gläubigeranfechtung (§§ 3, 4 AnfG) ist die Anwendung von § 1117 Abs. 2 BGB ebenso von Bedeutung, da ähnlich § 878 BGB die Beendigung der Rechtsbestellung als anfechtbare Rechtshandlung mit dem Zeitpunkt der Antragstellung beim Grundbuchamt bestimmt wird (§ 140 Abs. 2 InsO). In diesen Fällen sichert nur § 1117 Abs. 2 BGB dem Gläubiger einen frühen Zeitpunkt des Rechtserwerbs – eben den Zeitpunkt der Antragstellung bei Grundbuchamt, der unter Berücksichtigung der Anfechtungsfristen eine Anfechtung ausschließen kann.
B. Aushändigung
I. Regelfall
Rz. 2
Der mit Eintragung der Hypothek neu erstellte Brief ist dem Eigentümer des Grundstücks auszuhändigen (Abs. 1), bei mehreren Miteigentümern oder verschiedenen Eigentümern mehrerer Grundstücke nur sämtlichen Eigentümern vermittels eines Empfangsberechtigten. Der Notar ist zur Empfangnahme nicht ohne weiteres ermächtigt; § 15 gilt hier nicht. Der Eigentümer kann den Notar bevollmächtigen, für ihn den Brief entgegenzunehmen. Absatz 2 ist auf die Empfangsvollmacht nicht anwendbar; Schriftform genügt. Die §§ 10, 11 S. 4 FamFG stehen nicht entgegen. Nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Eigentümers ist der Brief dem Insolvenzverwalter auszuhändigen.
Wird der Brief erst nachträglich erteilt, etwa bei Umwandlung der Buch- in eine Briefhypothek, ist der Brief dem Gläubiger auszuhändigen. Kann der Eigentümer nachweisen, dass die gesicherte Forderung noch nicht zur Entstehung gelangt ist, ist er noch Gläubiger (§ 1163 Abs. 1 S. 1 BGB); der Brief ist dann ihm auszuhändigen. Voreintragung als Hypothekengläubiger ist nicht erforderlich. Freilich gelten auch bei nachträglicher Brieferteilung zugunsten des Rechts §§ 891 und 1138 BGB, sodass das Bestehen der Forderung vermutet wird.