Leitsatz
1. Die 6-wöchige Ausschlagungsfrist beginnt gem. § 1944 Abs. 1 BGB erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt.
2. Die Kenntnis eines Bevollmächtigten muss sich der Erbe, wenn die Vollmacht die Regelung des Erbfalls umfasst, zurechnen lassen.
Sachverhalt
Der Antrag auf PKH-Bewilligung ist unbegründet, da die eingelegte und gem. §§ 27, 29 FGG a.F. zulässige Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.
Entscheidung
Die 6-wöchige Ausschlagungsfrist beginnt gem. § 1944 Abs. 1 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und dem Grunde Kenntnis erlangt. Hierbei genügt es, wenn dem Erben die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände in so zuverlässiger Weise bekannt sind, dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, in die Überlegung über die Annahme oder Ausschlagung einzutreten. Im Falle eines gesetzlichen Erben bedeutet dies, dass Kenntnis von dem Berufungsgrund bereits dann anzunehmen ist, wenn ihm die Familienverhältnisse bekannt sind und er nach den Gesamtumständen keine begründete Vermutung haben kann oder hat, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden ist. Allerdings kann auch unter nahen Angehörigen die Kenntnis von der Berufung als gesetzlicher Erbe auch bei Kenntnis des Erbfalls fehlen, wenn etwa die Bande innerhalb der Familie für längere Zeit abgerissen waren und er hinsichtlich der Existenz eines Testaments auf reine Mutmaßungen ohne realen Hintergrund angewiesen wäre.
Die Kenntnis eines Bevollmächtigten muss sich der Erbe, wenn die Vollmacht die Regelung des Erbfalls umfasst, zurechnen lassen, obwohl § 166 BGB keine Anwendung findet. Denn die dem Vertreter anvertraute Willensentscheidung kann nicht von dem Wissen getrennt werden, das ihre Voraussetzung bildet. Die Frage, ob und wann ein Erbe hinlänglich sichere Kenntnis erlangt hat, ist stets Tatfrage und nach dem Gesamtumständen des Einzellfalls und der Persönlichkeit des Erben zu beurteilen.
Aufgrund der Zerrüttung der Familienbande mussten die Beteiligten zu 2) und 3) auch bei Kenntnis der Überschuldung des Nachlasses nicht davon ausgehen, dass kein Testament existieren würde, dass sie von der (gesetzlichen) Erbfolge ausschließt.
Jedoch änderte sich die Sachlage mit dem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) und 3) vom 09.10.2001, wo es u.a. heißt: "[…] Es ist beabsichtigt, die Fahrzeuge an die Bank zurückzugeben. Dies bedarf jedoch der Zustimmung Ihrer Mandantschaft, da […]. Ich gestatte mir, Ihrer Mandantschaft zur Stellungnahme eine Frist zu setzten auf den 23.10.2001. Bei ergebnislosem Verstreichen der Frist gehen wir davon aus, dass Ihre Mandantschaft kein Interesse daran hat, das Erbe anzutreten und damit auch die Verpflichtungen zu übernehmen. […]"
Das LG hat in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass einem Rechtskundigen angesichts des Fehlens jeglicher Erwähnung einer letztwilligen Verfügung bewusst war, dass gesetzliche Erbfolge greife und die Ausschlagungsfrist zu laufen begonnen hatte.
Ebenso kam eine Anfechtung der Annahme nicht in Betracht. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Überschuldung der Erbschaft eine verkehrswesentliche Eigenschaft gem. § 119 Abs. 2 BGB sein kann. Doch auch hier ist die Anfechtungsfrist gem. § 1954 BGB verstrichen. Denn bereits das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) vom 19.09.2001 hatte hinreichend sichere Kenntnis von der Überschuldung des Nachlasses vermittelt. Dass die Beteiligten zu 2) und 3) belastbare Anhaltspunkte gehabt haben, die Auskunft sei falsch, ist nicht ersichtlich.
Link zur Entscheidung
OLG Rostock, Beschluss vom 10.11.2009, 3 W 53/08