Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlagungsfrist. Kenntnis. Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist beginnt gem. § 1944 Abs. 1 BGB erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Erbschaft Kenntnis erlangt.
2. Die Kenntnis eines Bevollmächtigten muss sich der Erbe, wenn die Vollmacht die Regelung des Erbfalls umfasst, zurechnen lassen.
Normenkette
BGB § 199 Abs. 2, § 1944 Abs. 1, § 1954
Verfahrensgang
LG Schwerin (Beschluss vom 21.02.2008; Aktenzeichen 2 T 2/08) |
Tenor
1. Der Antrag der Beteiligten zu 2. und 3., ihnen für das Verfahren der weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des LG Schwerin vom 21.2.2008 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
2. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. gegen den Beschluss des LG Schwerin vom 21.2.2008 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde haben die Beteiligten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner zu tragen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist unbegründet, weil die eingelegte gem. §§ 27, 29 FGG a.F. zulässige weitere Beschwerde ohne Erfolgsaussicht ist (§ 114 ZPO). Die Erwägungen, mit denen das LG die Versäumung der Frist zur Ausschlagung und Anfechtung verneint hat, lassen keinen relevanten Rechtsfehler erkennen.
1. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB beginnt gem. § 1944 Abs. 1 BGB erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Erbschaft Kenntnis erlangt. Erforderlich, aber auch genügend ist es, wenn dem Erben die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände in so zuverlässiger Weise bekannt geworden sind, dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, in die Überlegungen über Annahme oder Ausschlagung einzutreten. Fahrlässige Unkenntnis des Erben steht seiner Kenntnis nicht gleich; auch ist es ohne Bedeutung, ob ein Nichtkennen auf einem Irrtum über die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände beruht (st. Rspr.; vgl. u.a. BayObLG FamRZ 1994, 264, 265).
Steht eine Berufung des Erben kraft Gesetzes in Rede und war der Erblasser ersichtlich testierfähig, kann der gesetzliche Erbe von dieser Berufung nie mit absoluter Gewissheit Kenntnis haben. Es besteht stets die Möglichkeit, dass der Erblasser ein noch unbekanntes eigenhändiges Testament niedergeschrieben hat. Deswegen ist bei gesetzlicher Erbfolge Kenntnis des Berufungsgrundes grundsätzlich schon dann anzunehmen, wenn dem gesetzlichen Erben die Familienverhältnisse bekannt sind und er nach den Gesamtumständen keine begründete Vermutung haben kann oder hat, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden sei (st. Rspr.; vgl. u.a. OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.12.1997 - 10 Wx 23/96, FamRZ 1998, 1619). Allerdings kann auch einem nahen Angehörigen des Erblassers ungeachtet seines Wissens um den Erbfall die nötige Kenntnis von seiner Berufung als gesetzlicher Erbe zunächst fehlen, etwa wenn die Bande innerhalb der Familie vor dem Erbfall über längere Zeit abgerissen waren und er deshalb auf bloße Mutmaßungen ohne realen Hintergrund angewiesen ist hinsichtlich der Frage, ob der Erblasser ihn von der gesetzlichen Erbfolge durch eine letztwillige Verfügung ausgeschlossen hat (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.2.2006 - 3 W 6/06, NJW-RR 2006, 1594). Die Kenntnis eines Bevollmächtigten muss sich der Erbe, wenn die Vollmacht die Regelung des Erbfalls umfasst, nach zutreffender Ansicht zurechnen lassen, obwohl § 166 BGB keine Anwendung findet. Denn die dem Vertreter anvertraute Willensentscheidung kann nicht von dem Wissen getrennt werden, das ihre Voraussetzung bildet (KG, Beschl. v. 16.3.2004 - 1 W 458/01, NJW-RR 2004, 801; BGB-RGRK/Johannsen Rz. 12; Soergel/Stein Rz. 13; Erman/Schlüter Rz. 6; Kipp/Coing § 87 Fn. 9; BayObLG NJW 1953, 1431 f.; offengelassen von OLG München, Beschl. v. 28.8.2006, 31 Wx 45/06, ZEV 2006, 554, 556; a.A. Staudinger/Gerhard Otte (2008), § 1944 Rz. 15).
Letztlich liegt die Frage, ob und wann ein Erbe hinlänglich sichere Kenntnis vom Anfall der Erbschaft sowie vom Grunde der Berufung erlangt hat auf tatsächlichem Gebiet und ist stets nach den gesamten Umständen des Einzelfalles, insb. nach der Persönlichkeit des Erben, zu beurteilen (BGH, Urt. v. 19.2.1968 - III ZR 196/65, Rpfleger 1968, 183).
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Feststellungen des Gerichts der Tatsacheninstanz gem. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG a.F., § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, wenn diese Feststellungen nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, wenn der Sachverhalt ausreichend ermittelt, alle geeigneten Beweise erhoben worden sind (§ 12 FGG a.F.) und wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. z.B. BayObLG, Beschl. v. 4.1991, BReg 1a Z 60/90, FamRZ 1991, 1232). Eine verbleibende Feststellungslast liegt beim Ausschlagenden (BGH, Urt. 5.7.2000 - IV ZR 180/99, NJW 2000, 1530).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Beteiligten zwar nicht...