Leitsatz (amtlich)
1. Völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit ihm die Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt.
2. Ist ein Beweisantrag nicht beschieden oder rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, können in der Regel weder das Tatgericht in den Urteilsgründen noch das Revisionsgericht die rechtsfehlerfreie Begründung nachliefern. Das Revisionsgericht kann das Beruhen in einem solchen Fall daher regelmäßig nicht schon mit der Erwägung verneinen, der Antrag hätte mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt werden dürfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise ausgeschlossen ist, dass die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten hierdurch berührt worden sind.
3. Die Zubilligung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt erfordert eine sorgfältige Begründung zu den Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 StGB, die dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung ermöglicht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 10.01.2017; Aktenzeichen (572) 231 Js 253/15 Ns (36/16)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2017 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten mit Urteil vom 13. Januar 2016 des Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen, ihn verwarnt und die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro vorbehalten. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berlin, letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung eingelegt. Das Landgericht hat daraufhin das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro vorbehalten bleibt.
Mit seiner hiergegen gerichteten, von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin für begründet erachteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht unter anderem mit einer Verfahrensrüge geltend, der von der Verteidigung gestellte Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen D. sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden.
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts, namentlich des § 59 Abs. 1 StGB.
Beide Rechtsmittel sind zulässig und haben in der Sache Erfolg.
II.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
In der Zeit vom 15. Januar bis zum 25. Januar 2015 fand auf dem Gelände Messedamm 22 in 14055 Berlin die "Grüne Woche" als Eigenveranstaltung der Messe Berlin GmbH statt. Am 17. Januar 2015 begab sich der Angeklagte gemeinsam mit einer Gruppe von weiteren, jeweils über Eintrittskarten verfügenden Personen auf das Messegelände. Gemeinsam mit einer Gruppe von weiteren Personen begab sich der Angeklagte über eine ungesicherte, indes erkennbar für den Publikumsverkehr nicht zugängliche Tür eines Nebengebäudes in das dortige Treppenhaus. Von dort aus gelangte die Gruppe über eine ebenfalls nicht gesicherte Tür auf das Dach eines Gebäudes. Der Dachbereich war, wie der Angeklagte wusste, nicht für den Publikumsverkehr zugänglich und gewidmet. Über dieses Dach gelangte der Angeklagte gemeinsam mit den weiteren Personen auf das Dach des auf dem Veranstaltungsgelände befindlichen Rundbaus mit der Aufschrift "Messe Berlin" am Messeeingang Süd. Nach Bekanntwerden des Betretens der Dachfläche durch unbefugte Personen begab sich der Zeuge L., zuständiger Sachgebietsleiter der Messe Berlin GmbH, auf das Dach und forderte die dort anwesenden Personen auf, das Dach umgehend zu verlassen. Entgegen dieser Aufforderung seilten sich der Angeklagte sowie zwei weitere gesondert Verfolgte mittels mitgeführter Kletterausrüstung vom Dach ab und entrollten an der Fassade ein etwa 100 Quadratmeter großes Transparent mit der Aufschrift "Fleisch ist immer Mord - Schluss mit der Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt!". Der Zeuge L. alarmierte die Polizei, die unterhalb des Gebäudes den Angeklagten sowie die gesondert Verfolgten zum Abseilen auf den Boden aufforderte. Da weder der Angeklagte noch die gesondert Verfolgten dieser Aufforderung nachkamen, wurde die Höhenrettung der Berliner Feuerwehr alarmiert. Dieser gelang es, den Angeklagten sowie die gesondert Verfolgten (...) von der Fassade zu Boden zu bringen.
III.
1. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten dringt mit der eingangs näher bezeichneten, gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhobenen Verfahrensrüge durch.
Die Verteidi...