Leitsatz (amtlich)
Eine Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr auf die Prozessgebühr findet auch dann statt, wenn ein Verkehrsunfallgeschädigter durch seinen Rechtsanwalt außergerichtlich mit der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verhandelt, einen Verkehrsunfallprozess dann aber nur gegen den Schädiger und nicht auch gegen dessen Versicherung führt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 27.01.2012; Aktenzeichen 42 O 167/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 27. Januar 2012 - 42 0 167/11 - unter Zurückweisung des weitergehenden Festsetzungsantrags geändert:
Die nach dem am 14. Dezember 2011 verkündeten Urteil des Land-gerichts Berlin von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 1.047,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2012 festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 477,30 € festgesetzt. Eine Gebühr nach Nr. 1812 GV GKG wird nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Anrechnung einer vorprozessualen Geschäftsgebühr.
Die Klägerin verlangte von der Gegenseite Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Zunächst verhandelte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der Versicherung, bei der das gegnerische Fahrzeug versichert war. Nachdem dieses gescheitert war, verklagte die Klägerin die Beklagte als Fahrerin des Fahrzeuges. Mit dem am 14. Dezember 2011 verkündeten Urteil gab das Landgericht Berlin der Klage im weit überwiegenden Umfang statt und auferlegte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits.
Mit dem Gesuch vom 3. Januar hat 2012 hat die Klägerin beantragt,
die ihr entstandenen Kosten festzusetzen.
Dem ist das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss nachgekommen. Hier-gegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie geltend macht, dass die Versicherung an die Klägerin 555,60 € für eine vorprozessuale Geschäftsgebühr ausgezahlt habe, die zur Hälfte (277,80 €) auf die Verfahrensgebühr des vorliegenden Rechtsstreits anzurechnen sei. Darüber hinaus hat die Klägerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens mitgeteilt, dass sie zum Abzug von Vorsteuern berechtigt sei, worauf die Beklagte auch insoweit eine Korrektur der Festsetzung beantragt hat.
Das nach § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPfIG als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel ist zulässig. In der Sache hat die sofortige Beschwerde auch zum weit überwiegenden Teil Erfolg. Nur hinsichtlich der Postpauschale der vorprozessualen Kosten konnte keine Anrechnung erfolgen, da diese im Gesetz nicht vorgesehen ist. Insoweit war die sofortige Beschwerde daher zurückzuweisen.
Nach der Anrechnungsvorschrift Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist die Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten um die Hälfte der Geschäftsgebühr zu korrigieren. Eine solche Anrechnung der Geschäftsgebühr kann hier nach den Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG erfolgen. Nach dieser Vorschrift kann ein Dritter sich auf die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat oder wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Hier besteht die Besonderheit, dass der Rechtsstreit nur gegen die Beklagte als Fahrerin des Fahrzeuges geführt worden ist, während die vorprozessuale Geschäftsgebühr bei den Verhandlungen mit der Versicherung entstanden und von der Versicherung beglichen worden ist. Insoweit erscheint es als zweifelhaft, ob die Geschäftsgebühr wegen desselben Gegenstandes im Sinne der Vorbem. 3 Abs. 4 W RVG entstanden ist. Hierzu hat bereits das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Beschluss vom 24. September 1993 (AGS 1994, 43) Folgendes zusammenfassend ausgeführt:
"Eine Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr auf die Prozessgebühr findet auch dann statt, wenn ein Verkehrsunfallgeschädigter durch seinen Rechtsanwalt außergerichtlich mit der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verhandelt, einen Verkehrsunfallprozess dann aber nur gegen den Schädiger und nicht auch gegen dessen Versicherung führt (entgegen OLG München, 1988-11-07, 11 W 2840/88, AnwBl 1990, 325).
Eine Nichtanrechnung würde der Stellung des Versicherers, die ihm in AKB § 10 Abs. 5 zugewiesen ist, nicht genügend Beachtung zumessen. Nach AKB § 10 Abs. 5 gilt der Versicherer als bevollmächtigt, alle ihm zur Befriedigung oder Abwehr der Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen der versicherten Personen abzugeben. Das bedeutet, dass der Versicherer Regulierungsvollmacht hat und außergerichtlich immer auch als Vertreter des Versicherten der Ansprechpartner des Geschädigten ist. Aus dieser Vertreterstellung folgt, dass der nur ...