Leitsatz (amtlich)
Die Frage der "Distanzierung" spielt bei der Verbreitung eines Gerüchtes grundsätzlich keine Rolle, wenn es sich, wie bei der Möglichkeit einer Affäre eines Prominenten, um "belanglosen Klatsch" handelt.
Normenkette
BGB § 1004
Verfahrensgang
LG Berlin II (Aktenzeichen 27 O 15/22) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. November 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin II, 27 O 15/22, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.333,33 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte nach vorausgegangenem einstweiligen Verfügungsverfahren (Landgericht Berlin, 27 O 101/19, bzw. Kammergericht, 10 U 65/22), im Wege des Hauptsacheverfahrens auf Unterlassung und Erstattung von Anwaltskosten nebst Zinsen in Anspruch.
Das Landgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen nach § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Beklagten untersagt, zu behaupten oder zu verbreiten bzw. behaupten oder verbreiten zu lassen: a) "Familien-Urlaub nach Fremdgeh-Gerüchten", b) "Wochenlang wurde über eine Affäre ... spekuliert." so wie dies geschehen war unter .... Das Landgericht hat die Beklagte ferner zur Zahlung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 526,58 Euro nebst Zinsen verurteilt.
Die Beklagte rügt mit der Berufung Rechtsverletzungen. Sie meint, nicht behauptet zu haben, dass der Kläger eine Affäre mit ... hatte. Sie habe nur ein Gerücht verbreitet und auf dieses hingewiesen, sich dieses aber nicht zu eigen gemacht und es auch nicht bewertet. Sie habe sich von dem Gerücht nicht distanzieren müssen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Mai 2023 außerdem einen Online-Artikel der ... vorgelegt. Danach waren der Kläger und ... verlobt. Die Beklagte ist der Ansicht, damit habe sich "in der Diskussion um die Affäre des Klägers mit ... eine völlig neue Sachlage ergeben". Der Kläger ist gegen die Veröffentlichung am ... vorgegangen. ... Die Beklagte hält das für unerheblich und meint, es sei jetzt erwiesen, dass der Kläger und ... eine "Affäre" hatten.
Die Beklagte kündigt sinngemäß den Antrag an,
das am 15. November 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin II, 27 O 15/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und kündigt den Antrag an,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 9. Oktober 2023 unter anderem auf Folgendes hingewiesen:
... Die Berufungsangriffe vermögen die zutreffende Feststellung des Landgerichts, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zu, da die angegriffene Äußerung ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze, sowie der beanspruchte Zahlungsanspruch aus §§ 823, 249ff. BGB zu, nicht in Zweifel zu ziehen.
Der Senat teilt die Darlegungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil und nimmt zunächst darauf Bezug. Im Übrigen verweist er auf seine Ausführungen in dem zu dem identischen Unterlassungsbegehren betreffenden einstweiligen Verfügungsverfahren -10 U 65/02- (= LG Berlin, 27 O 101/19) heute ergangenen Hinweisbeschluss.
Der Senat hat darin folgendes ausgeführt (Anmerkung: bei der dort bezeichneten Antragsgegnerin handelt es sich vorliegend um die Beklagte, bei dem Antragsteller um den hiesigen Kläger):
Die Antragsgegnerin greift ohne Erfolg die Feststellung des Landgerichts an, sie habe das "Fremdgeh-Gerücht" verbreitet bzw. sich zu eigen gemacht. Von einem Zu-eigen-Machen ist auszugehen, wenn sich der in Anspruch Genommene mit den Äußerungen identifiziert, sie in eigene Gedankengänge einfügt und die betroffenen Vorgänge selbst bewertet (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2021 -VI ZR 437/19-, Juris, Rn. 12). Ob dies hier der Fall ist, braucht nicht vertieft zu werden. Denn auch bereits im Verbreiten dessen, was ein Dritter geäußert hat, ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen zu sehen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung desjenigen, der die Äußerung wiedergibt, fehlt oder wenn das Verbreiten nicht schlicht Teil einer Dokumentation des Meinungsstandes ist, in welcher - gleichsam wie auf einem "Markt der Meinungen" - Äußerungen und Stellungnahmen verschiedener Seiten zusammen- und gegenübergestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1996 -VI ZR 386/94-, Juris, Rn. 18).
Unter Beachtung der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die der Senat teilt, besteht kein Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin das streitgegenständliche "Fremdgeh-Gerücht" jedenfalls verbreitet hat, da eine eigene und ernsthafte Distanzierung durch die Antragsgegnerin nicht zu erkennen ist. Dass sie inhaltlich keine Position zu dem Gerücht bezogen hat, ist nicht relevant. Relevant dagegen ist der Umstand, dass die Antragsgegnerin dieses Gerücht aufgegriffen, in ihre Berichterstattung einbezogen und es dadurch weiterverbreitet hat.
Das Landgericht hat gleichfalls zutr...