Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundgebühr nach Zurückverweisung; Übergangsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein vor dem 1.7.2004 anhängig gewesenes Verfahren nach diesem Stichtag vom Rechtsmittelgericht zurückverwiesen worden, bestimmen sich die erneut anfallenden Gebühren des Rechtsanwaltes nach dem seit diesem Tag geltenden Gebührenrecht.
2. Der Rechtsanwalt, der bei einer Zurückverweisung der Sache den Angeklagten bereits im Ausgangsverfahren verteidigt hat, erhält nicht erneut eine Grundgebühr nach Nr. 4100 RVG-VV.
Normenkette
RVG-VV Nr. 4100 RVGreport 2005, 343
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 23.02.2005; Aktenzeichen (533) 69 Js 165/01 KLs (41/04)) |
Tenor
Die Beschwerde der Rechtsanwältin E.L. gegen den Beschluss des LG Berlin vom 23.2.2005 wird verworfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das LG Berlin hat den Angeklagten am 10.3.2004 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer anderweitigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und u.a. den Verfall von Wertersatz i.H.v. 24.542 EUR angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH das Urteil hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen. Im Termin zur Hauptverhandlung am 4.1.2005 hat das LG das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gem. §§ 430 Abs. 1, 442 Abs. 1 StPO auf die rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafe nebst Einziehungsanordnung beschränkt.
Rechtsanwältin L. ist dem Angeklagten am 15.10.2003 als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden. Mit ihrem Antrag vom 7.1.2005 hat sie ihre Pflichtverteidigervergütung für den Termin am 4.1.2005 nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.H.v. 720,36 EUR geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Antrag zurückgewiesen, soweit von der Rechtsanwältin die Festsetzung einer Grundgebühr nach Nr. 4100, 4101 RVG-VV i.H.v. 162 EUR zzgl. Mehrwertsteuer beantragt worden ist. Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das LG mit Beschl. v. 23.2.2005 als unbegründet verworfen und wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Beschwerde hiergegen zugelassen. Die gem. den §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 und 3 RVG zulässige Beschwerde der Rechtsanwältin hat keinen Erfolg.
1. Die Vergütung für den Termin zur Hauptverhandlung am 4.1.2005 ist zu Recht nach dem RVG festgesetzt worden. Die Beschwerdeführerin ist zwar vor dem In-Kraft-Treten des RVG am 1.7.2004 als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden, gleichwohl findet nach § 61 Abs. 1 S. 1 RVG nicht das früher geltende Recht Anwendung. Denn aus der Bezugnahme auf § 15 RVG, nach dem der Rechtsanwalt im gerichtlichen Verfahren die Gebühren für jeden Rechtszug fordern kann, folgt, dass die Bestimmung lediglich die Tätigkeit im jeweiligen Rechtszug erfasst. Nach der Zurückverweisung der Sache gem. § 21 Abs. 1 RVG an das untergeordnete Gericht ist das Verfahren im Umfang der Verweisung gebührenrechtlich als neuer Rechtszug zu behandeln (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 60 Rz. 10, 32; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 134 Rz. 22). Für die Frage, ob altes oder neues Recht anwendbar ist, kommt es daher auf das im Zeitpunkt der Zurückverweisung geltende Recht an (OLG Zweibrücken JurBüro 2000, 21; OLG Stuttgart JurBüro 1989, 1404 f.; OLG Düsseldorf JurBüro 1988, 1352).
2. Die Grundgebühr nach Nr. 4100, 4101 RVG-VV entsteht ausdrücklich lediglich für die "erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall". Diese Begrenzung gilt nicht nur innerhalb der jeweiligen Instanz, sondern innerhalb derselben Strafsache bis zu dem Ende des Verfahrens (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., RVG-VV 4101 Rz. 5). Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der bei einer Zurückverweisung der Sache den Angeklagten bereits im Ausgangsverfahren verteidigt hat, nicht erneut eine Grundgebühr erhält. Denn er muss sich nicht erneut in die Sache einarbeiten (Burhoff, RVG-VV, Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4100 Rz. 20).
Vorliegend hat die "erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall" durch die Rechtsanwältin bereits 2003 stattgefunden, denn sie ist dem Angeklagten mit Beschl. v. 15.10.2003 zur Pflichtverteidigerin bestellt worden. Die Gebühren für das erstinstanzliche Ausgangsverfahren sind mit dessen verfahrensrechtlichen Abschluss am 10.3.2004 i.S.d. § 16 BRAGO bereits fällig gewesen.
Allein die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin seinerzeit eine Grundgebühr für die "erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall" wegen fehlender entsprechender Gebührenvorschriften in der BRAGO nicht geltend machen konnte, kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Nach den einzelnen Gebührentatbeständen des RVG-VV sind lediglich tatsächlich erbrachte anwaltliche Tätigkeiten zu vergüten. Eine erstmalige Einarbeitung der Beschwerdeführerin hat jedoch nach der Zurückverweisung tatsächlich nicht mehr stattgefunden.
Fundstellen