Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 08.09.2010; Aktenzeichen N 15/14 Js 3463/05 VRs - 599 StVK 740/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 8. September 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I. 1. Der Beschwerdeführer verbüßt zur Zeit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 24. Februar 2009 - (275 Ds) 14 Js 3463/05 (129/06) - wegen Betruges; das Urteil wurde durch Berufungsrücknahme am 4. Mai 2010 rechtskräftig. Der Beschwerdeführer nahm die Berufung anläßlich der erstinstanzlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten in dem Verfahren (326) 1 St Js 697/07 (21/09) zurück, um eine Einbeziehung der einjährigen Freiheitsstrafe im dortigen Verfahren zu ermöglichen. Tatsächlich hat ihn das Amtsgericht Tiergarten in jenem Verfahren unter Einbeziehung jener Strafe am 4. Mai 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dem ging nach glaubhaftem Vortrag des Beschwerdeführers eine Verständigung zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht voraus, deren Gegenstand jedoch keine Strafaussetzung zur Bewährung war. Vielmehr ging der Beschwerdeführer mit dem erklärten Ziel, durch Zeitablauf die Voraussetzungen für eine spätere Strafaussetzung zur Bewährung zu schaffen, gegen jenes Urteil in Berufung.
In einem weiteren Verfahren gegen den Verurteilten vor dem erweiterten Schöffengericht des Amtsgericht Tiergarten - (214) 14 Js 4033/09 (13/10) - wurde seit dem 25. Juni 2010 Untersuchungshaft vollzogen. Diese wurde aufgrund des Aufnahmeersuchens der Staatsanwaltschaft vom 4. August 2010, die die Vollstreckung mit Verfügung vom selben Tag eingeleitet hatte, zum 11. August 2010 zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von einem Jahr aus dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Februar 2009 gemäß § 116b Satz 2 1. Halbsatz StPO unterbrochen.
Die Hauptverhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht - 214 - 13/10 - hat inzwischen begonnen; dort ist die Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil zu (326) 1 St Js 697/07 (21/09), auch der dort einbezogenen hiesigen Freiheitsstrafe, die derzeit verbüßt wird, für den Fall der Rechtskraft jener Entscheidung möglich. Es sei dort, nach übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und des zuständigen Vorsitzenden, die Aufhebung des dortigen Haftbefehls im Gespräch gewesen.
2. Mit seinem an die Staatsanwaltschaft gerichteten Schriftsatz vom 23. August 2010 beantragte der Beschwerdeführer, die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Februar 2009 - (275 Ds) 14 Js 3463/05 (129/06) - gemäß §§ 458 Abs. 1 und 3, 449 StPO für unzulässig zu erklären. Zur Begründung seiner Anträge berief er sich zum einen darauf, daß er aufgrund der im Verfahren (326) 1 St Js 697/07 (21/09) getroffenen Absprache darauf habe vertrauen können, daß eine Vollstreckung zumindest bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens nicht erfolgen werde, weil die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten bewährungsfähig sei. Auch seien weder er noch der Vorsitzende des erweiterten Schöffengerichts zur Unterbrechung der Untersuchungshaft angehört worden.
Die Staatsanwaltschaft hat den Antrag mit Verfügung vom 25. August 2010 abgelehnt und ihn der Strafvollstreckungskammer vorgelegt. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 8. September 2010 hat diese den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten (§§ 462 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, 458 Abs. 1 StPO) hat keinen Erfolg.
II. 1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben (§§ 462 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO), aber unbegründet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Februar 2009 - (275 Ds) 14 Js 3463/05 (129/06) - ist gesetzlich vorgesehen und gestattet, weil sie rechtskräftig ist (§ 449 StPO) und kein Vollstreckungshindernis besteht. Die Strafvollstreckungskammer hat die Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung mit zutreffenden Erwägungen zurückgewiesen.
Bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung bleibt eine in einem anderen Verfahren rechtskräftig festgesetzte Einzelstrafe bis zur Rechtskraft der (neuen) Gesamtstrafenentscheidung ohne weiteres vollstreckbar. Dies folgt aus dem verfahrensrechtlichen Vollstreckungsgebot. Danach müssen Urteile vollstreckt werden, wenn sie rechtskräftig sind und einen der Vollstreckung zugänglichen und bedürftigen Inhalt haben, wobei eine Verpflichtung zur alsbaldigen Vollstreckung besteht. Die Vollstreckung einer rechtskräftigen Strafe steht nur ausnahmsweise und bei entsprechender gesetzlicher Regelung im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, so bei vertikaler Rechtskraft innerhalb desselben Urteils (vgl. Appl in KK-StPO, § 449 Rdn. 19; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl., § ...