Leitsatz (amtlich)
1. In Anbetracht des gewandelten Urlaubsverständnisses der Bevölkerung handelt es sich bei der Entscheidung darüber, ob ein Kind im Rahmen eines zwischen den Eltern einvernehmlich vereinbarten Ferienumgangs eine Urlaubsfernreise in ein Baderesort in Thailand antritt, regelmäßig um eine Alltagsentscheidung, über die der umgangsberechtigte Elternteil in der Regel allein entscheiden kann.
2. Die Entscheidung über den Antritt einer Urlaubsfernreise kann jedoch eine Sorgeangelegenheit - über die im gegenseitigen Einvernehmen beider Eltern zu entscheiden ist - darstellen, wenn die geplante Fernreise in ein politisches Krisengebiet führen soll oder wenn für den Zielort der Reise Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes vorliegen.
3. Zum nachträgliche Widerruf der von dem Obhutselternteil ursprünglich erteilten Zustimmung zu einer Urlaubsfernreise des Kindes mit dem anderen Elternteil im Rahmen des vereinbarten Umgangs.
4. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs, nachdem sich dessen Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, den beschwerdeführenden Elternteil in dessen Rechten verletzt, liegt nicht schon dann vor, weil der Obhutselternteil die von ihm ursprünglich erteilte Zustimmung zu einer Urlaubsfernreise kurzfristig vor dem geplanten Reisebeginn widerrufen hat und das Gericht des ersten Rechtszug den Widerruf für im Ergebnis unbeachtlich erachtet. Auch der Umstand, dass der umgangsberechtigte Elternteil von dem Obhutselternteil Ersatz des Schadens fordert, der ihm aufgrund des Widerrufs der Zustimmung zu der Urlaubsreise entstanden ist, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines berechtigten Interesses des Obhutselternteils an der Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung ihn in seinen Rechten verletzt hat.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 03.11.2016; Aktenzeichen 163 F 13683/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Mutter gegen den am 3.11.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung erlassenen Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 163 F 13683/16 - wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 1.500 EUR als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Mutter vom 16.11.2016, ihr Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverfolgung im zweiten Rechtszug zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Mutter wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen den vom Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung - nach mündlicher Erörterung der Sache - gefassten Beschluss vom 3.11.2016, mit dem der familiengerichtliche Beschluss vom 18.8.2016 aufrechterhalten wurde. Mit dem Beschluss vom 18.8.2016 wurde festgestellt, dass der Vater berechtigt ist, mit den beiden gemeinsamen Kindern V. und P. während der Berliner Sommerferien in der Zeit vom 16.8.2016 bis zum 4.9.2016 eine Urlaubsreise nach Jomtien Beach in der Nähe von Pattaya/Thailand zu unternehmen.
Die getroffene Entscheidung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Eltern, geschiedene Ehegatten, über die Wirksamkeit einer von der Mutter zunächst erteilten Zustimmung streiten, ob die beiden in ihrem Haushalt lebenden Kinder in den Sommerferien 2016 in einer unstreitig dem Vater zustehenden Umgangszeit mit diesem und dessen Ehefrau sowie deren beiden Kindern eine gemeinsame Urlaubsreise in ein Baderesort in Jomtien Beach in der Nähe von Pattaya/Thailand unternehmen dürfen. Nachdem die Mutter Mitte April 2016 der Urlaubsreise zugestimmt hatte, hat sie ihre Zustimmung, nachdem es am 11./12.8.2016 in Thailand an unterschiedlichen Orten zu insgesamt vier Bombenanschlägen gekommen war, wenige Tage vor dem geplanten Abflug der Kinder in den Urlaub widerrufen. Zur Begründung dafür, dass der Vater berechtigt sei, die geplante Urlaubsreise mit den Kindern vom 16.8.2016 bis zum 4.9.2016 nach Thailand zu unternehmen, hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass die Mutter der Reise zugestimmt habe; an die erteilte Zustimmung sei sie gebunden. Ein gegenseitiges Einvernehmen der Eltern im Sinne des § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB sei für die Urlaubsreise nicht erforderlich, weil vor dem Hintergrund des geänderten Urlaubsverhaltens in der Bevölkerung keine Rede davon sein könne, dass die Reise schwer zu ändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder habe. Besondere Belastungen oder Gefährdungen der Kinder infolge der Reise seien ebenfalls nicht ersichtlich und zwar auch nicht im Hinblick auf die Bombenanschläge vom 11./12.8.2016: Im Zeitraum von April 2016, als die Mutter der Reise zugestimmt habe, bis August 2016 habe sich die Sicherheitslage in Thailand nicht wesentlich verändert; insbesondere habe das Auswärtige Amt auch nach den Bombenanschlägen von August 2016 nicht allgemein von Reisen nach Thailand abgeraten, sondern lediglich vor dem Aufsuchen bestimmter, im einzelnen genannten Provinzen und Regionen - die hier nicht berührt seien und von denen der Urlaubsort Jomtien Beach weit entfernt sei - gewarnt sowie allgemein empfohlen, Menschenansammlungen zu meiden. Daher sei der Widerruf der M...