Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafbarkeit von Weisungsverstößen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Strafbarkeit nach § 145a StGB setzt voraus, dass die Weisung, gegen die der Angeklagte verstoßen hat, rechtsfehlerfrei ist; dies ist nur der Fall, wenn der Führungsaufsichtsbeschluss unmissverständlich klarstellt, dass die erteilte Weisung strafbewehrt ist.
2. Eine Weisung gegenüber einem langjährig schwer Suchtkranken, während der Dauer der Führungsaufsicht keine Drogen zu sich zu nehmen, stellt in der Regel eine unzumutbare Anforderung dar.
3. Einzelne Weisungsverstöße stehen zueinander in Tatmehrheit, weshalb eine Verurteilung gemäß § 145a StGB erkennen lassen muss, ob hinsichtlich sämtlicher Weisungsverstöße der erforderliche Strafantrag der Führungsaufsichtsstelle fristgerecht gestellt wurde.
Normenkette
StGB § 68b Abs. 1-2, § 145a; StPO § 318 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 06.02.2019; Aktenzeichen (559) 274 Js 2012/18 Ns (6/19)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Februar 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten verhängte mit Urteil vom 6. November 2018 gegen den Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Gegen das amtsgerichtliche Urteil legte der Angeklagte Berufung ein und beschränkte diese auf den Rechtsfolgenausspruch. Das Landgericht Berlin hat sein Rechtsmittel am 6. Februar 2019 verworfen.
Zu dem Tatgeschehen hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:
"Der Angeklagte entzog sich seit März 2017 beharrlich den durch das Landgericht Berlin - 587 StVK 155/15 - mit Beschluss vom 14. September 2015 erteilten Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB, sich für die Dauer der voraussichtlich noch bis zum 27. September 2020 fortbestehenden Führungsaufsicht einmal monatlich bei dem für ihn zuständigen Bewährungshelfer zu den von diesem oder der Führungsaufsichtsstelle nach Tag und Stunde zu bestimmenden Zeitpunkten zu melden, gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitgebers der Aufsichtsstelle spätestens nach drei Tagen mitzuteilen und gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB abstinent von unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden berauschenden Substanzen zu bleiben, soweit sie ihm nicht ärztlich verordnet wurden.
In Kenntnis seiner Verpflichtungen brach der Angeklagte in März 2017 den Kontakt zu der Bewährungshelferin B. und nach dem 26. April 2017 den Kontakt zu der neu zuständig gewordenen Bewährungshelferin C. ab. Im August 2017 gelang es der Bewährungshelferin C. über die Justizvollzugsanstalt Moabit, erneut zu ihm Kontakt aufzunehmen. Nach seiner Freilassung weigerte der Angeklagte sich am 14. Dezember 2017 anlässlich eines Gesprächs mit der Bewährungshelferin C., dieser seinen Wohnort mitzuteilen. Seitdem hatte die Bewährungshelferin keinerlei Kenntnis, wo der Angeklagte sich aufhält, und er hat sich nicht mehr bei ihr gemeldet.
In Kenntnis seiner Abstinenzpflicht setzte der Angeklagte außerdem seinen Drogenkonsum fort, indem er am 17. August 2017, 13. Februar 2018 und 15. März 2018 Cannabis sowie am 5. Juni 2017, 16. Juni 2017 und 14. Oktober 2017 Cannabis und Amfetamin zum Zwecke des Eigenkonsums bei sich führte.
Durch seine beharrliche Weigerung, den Weisungen des Landgerichts nachzukommen, ist der Zweck der Maßnahme, ihn zu stabilisieren und ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, gescheitert. Aufgrund der vorbenannten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wurden die Strafverfahren 274 Js 2523/17, 274 Js 2658/17, 274 Js 3630/17, 274 Js 1235/18, 274 Js 1074/18 und 274 Js 1770/18 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln eingeleitet. Außerdem verurteilte ihn am 6. November 2017 das Amtsgericht Tiergarten wegen Hehlerei zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten (3041 Js 11883/17 - 251b Ds 128/17). Mit Hinblick auf diese Verurteilung wurde ein weiteres Verfahren 3041 Js 854/18 wegen Diebstahls nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Am 16. Mai 2018 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten (3014 Js 12944/17 - 310 Ds 36/17). Ein weiteres Verfahren 3041 Js 1952/18 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde nach § 154 Abs. 1 StPO mit Hinblick auf eine frühere Verurteilung im Verfahren 3014 Js 5126/17 - 310 Ds 25/17 eingestellt."
Mit seiner gegen das angefochtene Urteil form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung sachlichen Rechts.
II.
Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg.
Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung (vgl. KG, Urteil vom 12. Juni 2002 - 5 Ss 9/02 -) ergibt, dass die Berufung des Angeklagten bereits nicht in zulässiger Weise auf die Anfechtung...