Leitsatz (amtlich)

Beschlüsse über die Bekanntmachung des Musterverfahrensantrages nach § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG sind nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes insgesamt unanfechtbar, weshalb eine sofortige Beschwerde auch nicht auf den fehlenden Anwendungsbereich des KapMuG gestützt werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 22.07.2014; Aktenzeichen 31 OH 20/14KapMuG, 31 O 259/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den (stattgebenden) Beschluss der Zivilkammer 31 des LG Berlin vom 22.7.2014 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragsteller haben im Hinblick auf ihre Feststellungsklage die Durchführung des Kapitalanleger-Musterverfahrens beantragt und Feststellungen zum Emissionsprospekt sowie zu den Schulungsinhalten begehrt.

Das LG hat mit Beschluss vom 22.7.2014 den Antrag hinsichtlich der Feststellungen zu den Schulungsinhalten als unzulässig verworfen und mit weiterem Beschluss vom 22.7.2014 dem Antrag hinsichtlich der Feststellungen zum Emissionsprospekt stattgegeben.

Gegen den weiteren Beschluss richtet sich die rechtzeitige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 6.8.2014, der das LG mit Beschluss vom 14.8.2014 nicht abgeholfen hat, weil diese unzulässig sei. Ferner hat es darauf hingewiesen, dass sich der Gesetzesbegründung zur Neufassung des KapMuG eine Beschränkung auf die Leistungsklage nicht entnehmen lasse.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist bereits unstatthaft, weil (auch) der stattgebende Beschluss nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes unanfechtbar ist (§ 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG [n.F.]). Eine unmittelbare Anwendung des § 252 ZPO scheidet ohnehin aus, weil die Unterbrechung des Rechtsstreits nicht durch gerichtliche Entscheidung angeordnet ist, sondern mit der Bekanntmachung des angefochtenen Beschlusses kraft Gesetzes eintritt (§ 5 KapMuG).

Soweit vereinzelt (vgl. Kruis in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. [2014], § 3 Rz. 122-124) unter Heranziehung der Rechtsauffassung des BGH betreffend in weiteren Verfahren erforderlichen Aussetzungsbeschlüssen nach § 7 Abs. 1 S. 4 KapMuG a.F. (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 16.6.2009 - XI ZB 33/08, NJW 2009, 2539; BGH, Beschl. v. 17.5.2011 - XI ZB 2/11; BGH, Beschl. v. 8.4.2014 - XI ZB 40/11 - [22]) auch vorliegend eine Anfechtbarkeit nach § 252 ZPO vertreten wird, entspricht dies insbesondere nach der seit November 2012 geltenden Neufassung des KapMuG, mit dem der Gesetzgeber die Bedenken des BGH aufgegriffen hat und nunmehr in § 8 KapMuG die Unanfechtbarkeit hat entfallen lassen, zweifellos weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem Willen des Gesetzgebers und führt im Übrigen, obwohl die Unanfechtbarkeit vermeintlich im Grundsatz nicht in Frage gestellt sein soll (vgl. Kruis in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. [2014], § 3 Rz. 120 f.), zur weitgehenden Aushöhlung der Vorschrift. Schließlich ist die Eröffnung einer Anfechtbarkeit gegen den Wortlaut des Gesetzes auch systematisch verfehlt.

1. Durch die Änderung der Unanfechtbarkeit des - hier nicht zur Entscheidung stehenden - Aussetzungsbeschlusses nach § 8 KapMuG hin zur Anfechtbarkeit (nach § 252 ZPO) hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, an der Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses nach § 3 Abs. 2 KapMuG festzuhalten. Zu § 8 führt der Gesetzgeber aus (BT-Ds. 17/8799, S. 21): "Der ausdrückliche Ausschluss der Anfechtbarkeit im bisherigen § 7 Abs. 1 Satz 4 entfällt. Folglich findet künftig gegen die Aussetzungsentscheidung gem. § 252 ZPO die sofortige Beschwerde statt. Den Parteien des Ausgangsverfahrens soll nicht zugemutet werden, aufgrund eines fehlerhaften Aussetzungsbeschlusses möglicherweise jahrelang auf den Abschluss des Musterverfahrens warten zu müssen, bevor ihr Ausgangsverfahren fortgesetzt werden kann. In der Zwischenzeit können erhebliche Rechtsnachteile für den Anleger eintreten (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2009, NJW 2009, 2539). Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gebietet es, dass die Parteien gegen eine rechtswidrige Aussetzung des Verfahrens vorgehen können." Mit der Gesetzesänderung sollte also insbesondere dem Interesse der Anleger in den Parallelverfahren Rechnung getragen werden, die an dem Verfahren zur Einleitung des Musterverfahrens nicht beteiligt waren. Ferner ist damit zum Ausdruck gekommen, dass die Vereinbarkeit der Lösung des BGH mit dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers zumindest zweifelhaft war. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den Konflikt hinsichtlich des Aussetzungsgegenstandes ergänzend durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG) entschärft (BT-Ds. 17/, S. 14 [III.1.], S. 16 f. [zu § 1]). Dagegen hat der Gesetzgeber die Unanfechtbarkeit der Beschlüsse über die Bekanntmachung des Musterverfahrensantrages nach § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG klar erkennbar nicht einschränken wollen und die Unanfechtbarkeit des Verwerfungsbeschlusses mit der Gesetzesänderung sogar erst eingeführt, also für beide Fälle die Anfechtbarkeit ü...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge