Leitsatz (amtlich)
Der Beschluss über die Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags ist auch dann gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG unanfechtbar, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, dass der Anwendungsbereich des § 1 KapMuG nicht eröffnet sei (Festhaltung von Senat, Beschl. v. 27.11.2014 -8 Kap 1/14).
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 38 OH 1/16 KapMuG) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Streithelferin und der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 30.08.2016 -38 OH 1/16 KapMuG - wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Ausgangsverfahren auf Schadensersatz wegen Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einem Schiffsfonds in Anspruch. Er hat die Durchführung des Kapitalanleger-Musterverfahrens beantragt und Feststellungen zum Emissionsprospekt begehrt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.08.2016 den Musterverfahrensantrag in seinem überwiegenden Umfang als zulässig angesehen und insoweit seine öffentliche Bekanntgabe im Klageregister angeordnet (§ 3 Abs. 2 KapMuG). Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Streithelferin der Antragsgegnerin, welcher sich die Antragsgegnerin angeschlossen hat.
II. Die sofortige Beschwere ist unzulässig und daher gemäß § 572 Abs. 2 S. 2 ZPO zu verwerfen. Sie ist unstatthaft, weil der Beschluss über die Bekanntgabe des Musterverfahrensantrags nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG unanfechtbar ist.
1) Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 27.11.2014 -8 Kap 1/14- begründet, dass die Bekanntgabe des Musterverfahrensantrags trotz der mit ihr verbundenen Unterbrechungswirkung in Bezug auf das Ausgangsverfahren nach § 5 KapMuG auch dann keiner Anfechtung unterliegt, wenn der Musterverfahrensantrag sich nicht im Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG halten sollte (was vorliegend somit dahinstehen kann). Auf die Gründe des Beschlusses vom 27.11.2014 wird zunächst Bezug genommen:
"Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach § 572 Abs. 2 S. 2 ZPO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Sie ist unstatthaft, weil der stattgebende Beschluss nach dem Wortlaut des Gesetzes unanfechtbar ist, § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG. Gemäß § 3 Abs.2 S.1 KapMuG entscheidet das Prozessgericht durch unanfechtbaren Beschluss über die öffentliche Bekanntmachung des Musterverfahrensantrages im Bundesanzeiger. Diese Entscheidung des Gesetzgebers über die Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses ist zu respektieren, auch wenn damit nach § 5 KapMuG kraft Gesetzes eine vorübergehende Unterbrechung des beim Prozessgericht anhängigen Verfahrens eintritt (so auch der 22. Zivilsenat des Kammergerichts, vgl. Beschluss vom 2. Oktober 2014, Az.: 22 Kap 2/14, der 11. Zivilsenat des Kammergerichts, vgl. Beschluss vom 8. Oktober 2014, Az. 11 Kap 1/14 sowie der 25. Zivilsenat des Kammergerichts, vgl. Beschluss vom 6. November 2014, Az.: 25 Kap 1/14).
Entgegen der im Wesentlichen auf die Kommentierung von Kruis im Kölner Kommentar zum KapMuG (vgl. 2. Aufl., 2014, Rn. 124 zu § 3 KapMuG) gestützten Auffassung der Antragsgegnerin, welche zwischenzeitlich allerdings auch vom 24. Zivilsenat des Kammergerichts vertreten wird (vgl. etwa Beschlüsse vom 15. Oktober 2014, Az. 24 Kap 2/12, und vom 10. November 2014, Az. 24 Kap 11/14), lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senates die zur Anfechtbarkeit einer Aussetzungsentscheidung nach § 7 Abs.1 KapMuG i.d. bis zum 31. Oktober 2012 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH ZIP 2009,1393; BGH GWR 2009, 398, BGH ZIP 2011,147; BGH ZIP 2011,493), nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen (so auch der 25. Zivilsenat des Kammergerichts, Beschluss vom 6. November 2014, Az.: 25 Kap 1/14).
Diese Rechtsprechung betraf keine Verfahren, in denen selbst ein Musterverfahrensantrag gestellt wurde, sondern nur solche, in denen keine der Prozessparteien ein Kapitalanleger-Musterverfahren iniitiert hatte. Für solche Prozessverfahren, in denen kein Vorverfahren nach §§ 1 ff KapMuG und damit keine Zulässigkeitsprüfung nach § 3 KapMuG stattgefunden hat, hat der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des § 7 KapMuG a.F. (jetzt § 8 KapMuG) und damit auch die des dort in Absatz 1 S.4 geregelten Anfechtungsausschlusses verneint, sofern in den Prozessverfahren selbst ein Musterfeststellungsantrag zulässigerweise nicht gestellt werden kann (vgl. BGH a.a.O.).
Vorliegend hat der Antragsteller aber selbst im Rahmen des Verfahrens vor dem Prozessgericht ein Verfahren nach §§ 1 ff KapMuG eingeleitet. Das Prozessgericht hatte demnach gemäß § 3 Abs.1, Abs.2 KapMuG eine Entscheidung über die Zulässigkeit ihres Antrages zu treffen. Diese Entscheidung beinhaltet nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine Feststellung dazu, ob der Musterverfahrensantrag überhaupt statthaft ist (vgl. hierzu BT-Drucksache 17/8788, S. 17). Wenn aber der Gesetzgeber gerade diese von ihm vorausgesetzte Prüfung und Entscheidung ...