Leitsatz (amtlich)
Wenn eine gesamtstrafenfähige Entscheidung ihrerseits bewusst nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von einer Gesamtstrafenbildung mit einer früheren Geldstrafe abgesehen hat, so ist es dem neuen Tatgericht verwehrt, unter Einbeziehung dieser Geldstrafe auf eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe zu erkennen, sofern nicht ausnahmsweise das Nebeneinander von Geld- und Freiheitsstrafe das schwerere Strafübel darstellt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 15.06.2018; Aktenzeichen (576) 283 Js 5495/16 Ns (31/18)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juni 2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie im Ausspruch über die Maßregel mit den jeweils insoweit zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 11. Januar 2018 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei am 12. Oktober 2016 und 23. Dezember 2016 begangenen Fällen und wegen einer am 12. Oktober 2016 begangenen Urkundenfälschung - bei Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von zwei, fünf und vier Monaten - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zugleich hat es eine isolierte Sperrfrist von zwei Jahren nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB festgesetzt.
Auf seine, auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Berufung hat das Landgericht Berlin das angefochtene Urteil im Strafmaß dahingehend geändert, dass es den Angeklagten - bei Verhängung von Einzelgeldstrafen von 60, 150 und 120 Tagessätzen, jeweils zu je 30 Euro - unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. September 2017, Az. 15 C 141/17, (120 Tagessätze zu je 15 Euro) und des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 22. Februar 2018, Az. 308 Ds 42/17, letztere nach Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten (Einzelstrafen: sechs Monate und 60 Tagessätze zu je 40 Euro), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt hat. Außerdem hat es eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren bestimmt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts geltend macht. Das Rechtsmittel ist im Umfang der Beschlussformel erfolgreich.
1. Soweit sich das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel auch gegen die Festsetzung der Einzelstrafen richtet, ist es nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat die durch die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Februar 2018 bewusst nicht einbezogene Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. September 2017 rechtsfehlerhaft zur Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe herangezogen und damit gegen das Verschlechterungsverbot nach § 331 Abs. 1 StPO verstoßen.
a) Im Ansatz zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass die drei verfahrensgegenständlichen Einzelstrafen mit der für die Tat vom 4. Januar 2017 verhängten Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. September 2017 und den für die Taten vom 8. Juni 2017 verhängten Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Februar 2018 grundsätzlich gesamtstrafenfähig sind.
Als erste unerledigte Verurteilung ist hierbei auf die des Amtsgerichts Oranienburg abzustellen. Dass im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Februar 2018 auf der Grundlage des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Oranienburg zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen worden ist, ändert nichts an dessen Zäsurwirkung (vgl. hierzu allg. BGH NStZ-RR 2012, 170 m.w.N.).
Gleichwohl erfährt der Grundsatz, dass es nach den §§ 53 bis 55 StGB allein auf die materielle Rechtslage ankommt, um so durch die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe sicherzustellen, dass ein Angeklagter, dessen Straftaten - aus welchen Gründen auch immer - in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, weder einen Nachteil erleidet noch einen Vorteil erlangt (BGH NStZ 1984, 260; Sander NStZ 2016, 584 m.w.N.), durch den Gedanken des Verschlechterungsverbots Einschränkungen:
Hat danach ein Angeklagter durch einen rechtskräftigen oder durch einen nur von ihm angefochtenen Strafausspruch einen über das in §§ 53, 54 StGB vorgesehene Maß hinausgehenden Vorteil erlangt, so darf er in seiner Rechtsstellung durch eine neuerliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr beeinträchtigt werden (BGH, Urteil vom 3. November 1955 - 3 StR 369/55 - BeckRS 9998, 121151; BGH StV 1996, 265; BGH, Beschluss vom 15. März 2016 - 2 StR 487/15 - BeckRS 2016, 09859; Beschlu...