Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhandlungsgebühr bei Anerkenntnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Fortfall des Antragserfordernisses in § 307 ZPO n.F. setzt die Entstehung der Verhandlungsgebühr für eine nicht streitige Verhandlung nicht mehr voraus, dass der prozessuale Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils gestellt wird.
2. Die Verhandlungsgebühr - für beide Teile - entsteht gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO bei Erlass des Anerkenntnisurteils auf der Grundlage des klägerischen Sachantrags und des Anerkenntnisses des Beklagten in mündlicher Verhandlung oder im schriftlichen Vorverfahren gem. § 307 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 35 BRAGO.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 17.11.2003; Aktenzeichen 16 O 269/03) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Anerkenntnisurteil des LG Berlin vom 30.9.2003 von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus auf weitere 561,50 Euro mit Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.2003 festgesetzt.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 561,50 Euro zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Das gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 S. 2, 569 ZPO zulässige Rechtsmittel ist begründet. Der Rechtspfleger hat die von der Klägerin geltend gemachte 5/10-Verhandlungsgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 35 - zu ergänzen: § 33 Abs. 1 S. 1 - BRAGO zu Unrecht abgesetzt. Die Gebühr, die nach dem Wert von 60.000 Euro 561,50 Euro beträgt, ist daher ebenfalls festzusetzen.
1. Allerdings entspricht die Entscheidung des Rechtspflegers der vom Senat zu §§ 35, 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO, § 331 Abs. 3 ZPO vertretenen Auffassung, nach der es für die Entstehung der Gebühren gem. § 35 BRAGO auf das tatsächliche Tätigwerden des Rechtsanwalts ankommt, im entschiedenen Fall also das Stellen des prozessual notwendigen Antrags nach § 331 Abs. 3 ZPO (Beschl. v. 5.8.1997 - 1 W 1733/97). In einem weiteren Beschluss vom 8.2.2000 (RPfleger 2000, 238 m.w.N.) hat der Senat ausgeführt, die Gebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 BRAGO erwachse nicht bereits für die bloße Stellung eines Sachantrages, der zur Vorbereitung für die erforderliche Stellung eines Prozessantrages auf Erlass eines entsprechenden Urteils nach § 307 Abs. 1, § 331 Abs. 1 ZPO gestellt werde.
2. Die Auffassung des Senats bedarf der Überprüfung, nachdem das Antragserfordernis für den Erlass eines Anerkenntnisurteils in der Neufassung des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO durch das ZPO-RG fortgefallen ist (vgl. N. Schneider, MDR 2003, 1269).
a) Nach § 307 Abs. 1 ZPO n.F. ist die Partei, die bei der mündlichen Verhandlung den gegen sie geltend gemachten Anspruch anerkennt, dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, ohne dass es eines Antrags der klagenden Partei bedarf. Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sind der Sachantrag der klagenden und das Anerkenntnis der beklagten Partei. Die Voraussetzungen für die Annahme einer nicht streitigen Verhandlung und damit - auf beiden Seiten - für die Entstehung einer Verhandlungsgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO sind erfüllt (die abweichende Kommentierung von Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 33 Rz. 4 beruht noch auf der alten, hinsichtlich des Antragserfordernisses mit § 331 ZPO übereinstimmenden Fassung des § 307 ZPO, s. ebd. § 35 Rz. 5).
b) Nach § 35 BRAGO erhält der Rechtsanwalt in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung bei einer Entscheidung, die gem. §§ 276, 307 Abs. 2 oder 331 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergeht, die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung. Wie zu a) ausgeführt, hat der Fortfall des Antragserfordernisses - auch - im schriftlichen Vorverfahren gem. § 307 Abs. 2 ZPO n.F. zur Folge, dass die gerichtliche Entscheidung nunmehr allein auf der Grundlage des mit der Klage gestellten Sachantrags und dessen Anerkenntnis ergeht. Dadurch ist die Gebühr gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO verdient, und zwar auf beiden Seiten.
c) Vom Tätigkeitserfordernis für die Entstehung der Verhandlungsgebühr wird damit nicht gänzlich abgesehen. Nach § 307 Abs. 2 S. 1 ZPO a.F. konnte der - nach § 307 Abs. 2 S. 1 a.F. notwendige - prozessuale Antrag schon in der Klageschrift gestellt werden. Die Grenze zum Sachantrag, der nur zur Vorbereitung des in der Verhandlung zu stellenden Prozessantrags dient, ist vollends aufgehoben, wenn das Gericht den mit dem Sachantrag "konkludent" gestellten Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils genügen lässt (LAG Düsseldorf JurBüro 2000, 23; auch im Falle des Versäumnisurteils: KG, Beschl. v. 5.8.1997 - 1 W 1733/97). Dem Fortfall des Antragserfordernisses ist nunmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass der - ohnehin die gerichtliche Entscheidung bestimmende - Sachantrag des Klägers dann das Tätigkeitserfordernis der Verhandlungsgebühr erfüllt, wenn e...