Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 29 O 84/99)

 

Tenor

1. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

2. Der Wert des Verfahrens beträgt für die Berufungsinstanz bis zur beiderseitigen Erledigungserklärung 37.950,00 DM.

 

Tatbestand

A Die Berufung ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und begründet worden.

 

Entscheidungsgründe

B Die Berufung ist aber im jetzt noch anhängigen Umfange unbegründet.

Nachdem beide Parteien das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO nur noch – unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen – über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Danach sind hier der Verfügungsklägerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen, denn im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (des Gebäudeabrisses) war dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht stattzugeben und ohne das erledigende Ereignis wäre die Verfügungsklägerin voraussichtlich unterlegen. Denn der Verfügungsklägerin stand gegen die Verfügungsbeklagte kein gerichtlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbarer Anspruch dahin zu, es zu unterlassen, die Versorgungsleitungen zum Imbißgeschäft auf dem Grundstück A.-K. B., zu unterbrechen sowie das vordere Gebäude auf diesem Grundstück abzureißen und die Versorgungsleitungen wiederherzustellen.

Ein solcher Anspruch folgt hier auch nicht aus §§ 861 Abs. 1, 862 Abs. 1, 858 Abs. 1, 868, 869 Satz 1 BGB, § 940 ZPO.

I. Es ist zwar davon auszugehen, daß die Verfügungsbeklagte eine verbotene Eigenmacht gemäß § 858 Abs. 1 BGB begangen hat, indessen nur gegenüber der Unterpächterin, nicht gegenüber der Verfügungsklägerin selbst.

1. Die Unterpächterin betreibt in den von der Verfügungsklägerin angemieteten Räumen das Imbißgeschäft. Sie ist daher allein unmittelbare Besitzerin dieser Räume. Den drohenden und erfolgten Eingriffen in diesen unmittelbaren Besitz hat die Unterpächterin nicht zugestimmt. Dies bestreitet auch die Verfügungsbeklagte nicht. Eine Zustimmung der Verfügungsklägerin als mittelbare Besitzerin kann die fehlende Einwilligung der unmittelbaren Besitzerin nicht ersetzen (Palandt-Bassenge, BGB, 58. Aufl., § 858 Rdnr. 2). Auch ein mittelbarer Besitzer darf dem unmittelbaren Besitzer nicht ohne dessen Willen im Besitz stören oder den Besitz entziehen (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 869 Rdnr. 1 m.w.N.). Zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber dem unmittelbaren Besitzer muß auch er sich – gemäß dem Rechtsgedanken des § 863 BGB – im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens (vgl. BGH, NJW 1979, 1359, 1360) der staatlichen Machtmittel bedienen. Dann kann auch die Gestattung eines Eingriffs durch den mittelbaren Besitzer gegenüber einem Dritten nicht den Besitzschutz des unmittelbaren Besitzers schmälern.

2. Der Verfügungsklägerin gegenüber hat die Verfügungsbeklagte keine verbotene Eigenmacht begangen. Eine verbotene Eigenmacht setzt einen unmittelbaren Besitz voraus, also eine tatsächliche Sachherrschaft im Sinne des § 854 Abs. 1 BGB. Das Gesetz unterscheidet unter den „Besitzer” als unmittelbaren Besitzer (§§ 854, 858 BGB) und dem „mittelbaren Besitzer” (§§ 868, 869 BGB). In § 858 BGB ist nur der „Besitzer” erwähnt, also nur der unmittelbare Besitzer angesprochen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die Verfügungsklägerin neben der – das Imbißgeschäft betreibenden – Unterpächterin eine tatsächliche Sachherrschaft behalten oder diese wiedererlangt hätte. Im Verhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten kommt daher – ungeachtet der Eigenmacht der Verfügungsbeklagten – der Gedanke des Gewaltmonopols des Staates unmittelbar nicht zur Anwendung. Die Rechtsstellung des mittelbaren Besitzers beruht nicht auf einer unmittelbaren Sachherrschaft, sondern auf einem Rechtsverhältnis (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 869 Rdnr. 1).

II. Allerdings stehen der Verfügungsklägerin (als mittelbare Besitzerin erster Stufe) gegen die Verfügungsbeklagte (als allenfalls nachrangiger mittelbarer Besitzerin) gemäß § 869 BGB grundsätzlich auch die Besitzschutzansprüche aus § 861, 862 BGB zu, wenn eine verbotene Eigenmacht gegenüber dem unmittelbaren Besitzer (hier der Unterpächterin) gegeben ist. Die Verfügungsklägerin kann sich hier aber wegen der wirksam erteilten Zustimmung zu den in Rede stehenden Eingriffen darauf nicht gegenüber der Verfügungsbeklagten berufen.

  1. Mit § 869 BGB soll das eigene Interesse des mittelbaren Besitzers dahin geschützt werden, daß die unmittelbare Sachherrschaft bei dem von ihm ausgewählten Besitzmittler verbleibt und Besitzstörungen unterbleiben. Eine unbefugte Besitzstörung oder Entziehung durch Dritte schafft Risiken hinsichtlich des Erhalts der Sache. Auch kann die Verpflichtung des unmittelbaren Besitzers gegenüber dem mittelbaren Besitzer zur Gegenleistung für die Besitzüberlassung gefährdet sein.
  2. Stimmt allerdings der mittelbare Besitzer dem Eingriff zu, hat er keinen eigenen Besitzschutzanspruch aus ...

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