Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.02.2006; Aktenzeichen 539 AR 1/06 - 5 Ju Js 3430/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Zeugin xxx gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Strafkammer 39 des Landgerichts Berlin vom 28. Februar 2006 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Beschuldigten unter anderem gefährliche Körperverletzung in sechs Fällen, sexuelle Nötigung in zwei Fällen sowie Freiheitsberaubung zur Last. Die Taten soll er teils als Jugendlicher, teils als Heranwachsender und als Erwachsener begangen haben. Durch den angefochtenen Beschluss hat der Strafkammervorsitzende den Antrag der Geschädigten xxx abgelehnt, ihr Rechtsanwalt xxx gemäß § 406 g Abs. 3 StPO als Beistand zu bestellen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Geschädigten hat keinen Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig (vgl. § 406 g Abs. 3 i.V.m. § 397 a Abs. 1 StPO; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 397 a Rdn. 19) und nicht gemäß § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen, weil die Entscheidung der Sicherung des justizförmigen Verfahrens dient und für die Beschwerdeführerin eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung hat.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat in ihrer Antragsschrift vom 19. April 2006 zu Recht ausgeführt, dass die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand für die geschädigte Beschwerdeführerin gemäß § 406 g Abs. 3 StPO nach Abs. 1 dieser Vorschrift voraussetzt, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 395 StPO zum Anschluss als Nebenklägerin in der gegen den Angeklagten durchzuführenden Hauptverhandlung befugt ist. Diese Befugnis hat der Strafkammervorsitzende zutreffend unter Hinweis auf § 80 Abs. 3 JGG, demzufolge die Nebenklage im Verfahren gegen einen Jugendlichen unzulässig ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Auflage, vor § 395 Rdnr. 5), verneint. Der ausdrückliche Ausschluss der Nebenklage gemäß § 80 Abs. 3 JGG im Verfahren gegen Jugendliche beruht auf einer am Erziehungszweck orientierten Verfahrensgestaltung (vgl. BVerfG NJW 2002, 1487), die Vorrang vor den berechtigten Interessen eines Geschädigten haben soll. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Taten des Angeklagten, wie vorliegend, sich über verschiedene Altersstufen - vom Jugend- bis zum Erwachsenenalter - erstrecken. Da über alle Taten in demselben Strafverfahren verhandelt wird, bleibt eine Nebenklage insgesamt unzulässig, weil eine Differenzierung nach dem jeweiligen Lebensalter des Angeklagten bei den einzelnen Taten schon im Hinblick auf die anzuwendenden Verfahrensvorschriften nicht möglich ist. Verfahrensweisen, die lediglich hinsichtlich einer der angeklagten Taten nicht zulässig wären, sind wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens strafprozessual insgesamt nicht statthaft (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 1 Ws 351/05 m.w.N. bei JURIS -; Eisenberg, JGG 11. Auflage, § 80 Rdnr. 13 b). Die Staatsanwaltschaft Berlin weist in ihrer Stellungnahme vom 17. März 2006 zwar zutreffend darauf hin, dass bei einem eindeutigen Schwerpunkt der vorgeworfenen Taten im Bereich des Heranwachsenden- und Erwachsenenalters des Angeklagten eine Zulassung der Nebenklage nicht allein davon abhängig sein kann, ob im Vorfeld der Anklageerhebung der geringe Teil der Taten, die der Angeklagte als Jugendlicher begangen hat, gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt wird oder nicht. Eine derartige eindeutige Schwerpunktbildung ist jedoch im vorliegenden Verfahren nicht erkennbar. Der Strafkammervorsitzende hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Schwerpunktbildung erst das Ergebnis der noch durchzuführenden Beweisaufnahme im Rahmen des Hauptverfahrens sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Fundstellen