Leitsatz (amtlich)
1. Die gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung der Baubehörde ist für das Grundbuchamt nicht bindend.
2. Der Abgeschlossenheit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG steht grundsätzlich nicht entgegen, daß sich zwischen Wohnungen eine jederzeit zu öffnende Verbindungstür befindet, die aufgrund der baulichen Gestaltung des Gebäudes von der Bauaufsichtsbehörde als zweiter Rettungsweg vorgeschrieben worden ist.
Normenkette
WEG §§ 3, 7
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.12.1983; Aktenzeichen 84 T 168/83) |
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 03.11.1983) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und die Verfügung des Amtsgerichts Schöneberg vom 3. November 1983 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht Schöneberg (Grundbuchamt) zurückverwiesen.
Gründe
Die Eigentümer haben die Teilung ihres mit einem viergeschossigen Wohngebäude bebauten Grundstücks und die Bildung zweier Wohnungseigentumsrechte durch Schließung des Stammgrundbuchs und die Anlegung von Wohnungsgrundbüchern beantragt und dazu eine Abgeschlossenheitsbescheinigung der Baubehörde vorgelegt. Das Haus ist in der Weise ausgebaut, daß zwei jeweils über die vier Geschosse reichende Wohnungen entstanden sind. Nach dem Aufteilungsplan befindet sich im obersten Geschoß eine Verbindungstür zwischen beiden Wohnungen, die gemäß dem Baulastenverzeichnis wechselseitig als zweiter Rettungsweg dienen soll, unverschlossen und jederzeit zu öffnen sein muß und nicht verstellt werden darf. Mit Rücksicht darauf hat der Grundbuchrechtspfleger die beantragte Eintragung mangels der erforderlichen Abgeschlossenheit der Wohnungen abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die gemäß §§ 78 bis 80 GBO zulässige weitere Beschwerde der Eigentümer, die zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung an das Grundbuchamt führt.
Das Landgericht ist allerdings zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß das Grundbuchamt nicht an die nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG vorgelegte Bescheinigung der Baubehörde über die Abgeschlossenheit der Wohnungen gebunden ist, was der einhelligen Meinung der Obergerichte und des Schrifttums entspricht (OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 85; BayObLGZ 1971, 102, 105; OLG Frankfurt, Rpfleger 1977, 312; Deckert, Die Eigentumswohnung, Gruppe 3 S. 64; MünchKomm-Röll, BGB, § 3 WEG Rdn. 29 m.w.N.; Palandt/Bassenge, BGB, 43. Aufl., § 3 WEG Anm. 2 a; Weitnauer, WEG, 6. Aufl., § 7 Rdn. 7 b; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 5. Aufl., § 7 Rdn. 75 m.w.N.). Dies wird mit Recht aus der allgemeinen Verpflichtung des Grundbuchamtes gefolgert, alle in Betracht kommenden Vorschriften einschließlich der bloßen Sollvorschriften wie derjenigen des § 3 Abs. 2 WEG zu beachten. Entgegen der inzwischen als überholt anzusehenden Auffassung des LG Frankfurt (NJW 1971, 759) läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen, daß die materielle Prüfung der Abgeschlossenheit abschließend der Baubehörde zugewiesen ist. Auch in der amtlichen Begründung zu § 7 WEG heißt es lediglich, daß die Bescheinigung der Baubehörde dem Grundbuchrichter im Regelfall eine weitere Nachprüfung ersparen werde (BR-Drucksache Nr. 75/51 Anl. 2 S. 14), woraus deutlich wird, daß eine Bindung des Grundbuchamts nicht beabsichtigt war.
Die Auffassung des Landgerichts, das Vorhandensein einer bauaufsichtsbehördlich als zweiter Rettungsweg verlangten, jederzeit zu öffnenden Verbindungstür zwischen beiden Wohneinheiten stehe deren Abgeschlossenheit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG entgegen, begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ob die Abgeschlossenheit unter Berücksichtigung der bestehenden eindeutigen tatsächlichen Verhältnisse gegeben ist, unterliegt als Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs der vollen Nachprüfung durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht. Die vom Landgericht vertretene Auslegung des Begriffs der Abgeschlossenheit ist weder vom Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG her geboten, noch wird sie unter den vorliegenden Fallumständen dem Sinn des Abgeschlossenheitserfordernisses gerecht.
Nach dem Aufteilungsplan handelt es sich zunächst einmal zweifelsfrei um zwei Wohnungen, denn die jeweiligen Einheiten von Räumen ermöglichen die Führung eines Haushalts. Soweit die Wohnungen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sein sollen, bedeutet dies nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht, daß die Abgeschlossenheit in jedem Fall durch eine Wand ohne Tür oder jedenfalls mit einer darin befindlichen verschlossenen oder wenigstens verschließbaren Tür vermittelt werden muß. Vielmehr deckt der Begriff der Abgeschlossenheit grundsätzlich auch eine anderweitige, hinreichend feststellbare Abgrenzung der jeweiligen Herrschaftsbereiche, die erkennen läßt, wo der jeweilige Bereich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beginnt und endet. Die so verstandene Abgeschlossenheit erfordert zwar auch nach dem Sprachgebrauch eine gewiss...