Leitsatz (amtlich)
1. Wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl erhebliche Belastungsindizien vorliegen, muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten.
2. Unstimmigkeiten in der Einlassung des Angeklagten rechtfertigen es nicht, diese insgesamt, also auch soweit belastende Umstände eingeräumt werden, von vornherein außer Betracht zu lassen.
3. Ein Rechts- oder Erfahrungssatz, dass einer Zeugenaussage nur entweder insgesamt geglaubt oder insgesamt nicht geglaubt werden könnte, existiert nicht.
4. Bei einer "Aussage gegen Aussage"-Konstellation setzt eine Verurteilung aufgrund der Angaben des einzigen Belastungszeugen voraus, dass dieser einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen wird.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 14.03.2016; Aktenzeichen (575) 263 Js 4237/15 Ls Ns (163/15)) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. März 2016 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich der wegen versuchten Diebstahls verhängten Einzelgeldstrafe die Höhe des Tagessatzes auf 1,00 Euro festgesetzt wird.
2. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung in dem vorbezeichneten Urteil wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten - Schöffengericht - hat gegen den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls und wegen Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung der fünfmonatigen Freiheitsstrafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 10. März 2015 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat und wegen Diebstahls eine weitere Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht auf seine Kosten mit der Maßgabe verworfen, dass er wegen der beiden ersten Tatvorwürfe unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Braunschweig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten und wegen des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde. Das Landgericht hat für den versuchten Diebstahl eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen und für den Wohnungseinbruchdiebstahl eine Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten festgesetzt.
1. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten war mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe als unbegründet zu verwerfen.
a) Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben, da sie nicht entsprechend § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet worden ist.
b) Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die Berufungskammer hat es lediglich versäumt, hinsichtlich der für den versuchten Diebstahl verhängten Einzelgeldstrafe die Höhe des Tagessatzes zu bestimmen.
Eine solche Festsetzung ist auch dann erforderlich, wenn - wie hier - aus Geld- und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird (vgl. BGHSt 30, 93 - juris Rdn. 7; BGH StraFo 2015, 215 m.w.N.; KG, Beschluss vom 24. Juni 2008 - [4] 1 Ss 163/08 [109/08] -). Der in der unterlassenen Bestimmung der Tagessatzhöhe liegende sachlichrechtliche Fehler zwingt jedoch im vorliegenden Fall nicht zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur Nachholung dieses Ausspruchs. Der Senat kann vielmehr in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst die Tagessatzhöhe bestimmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 - 1 StR 509/14 - und 4. Juli 2012 - 4 StR 173/12 - jeweils juris; Senat, Beschluss vom 8. September 2015 - [5] 121 Ss 110/15 [33/15] -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., § 354 Rdn. 25b), da insoweit eine Überschneidung mit der Zumessung der Anzahl der Tagessätze nicht ersichtlich ist und die Urteilsgründe ausreichende Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten enthalten (vgl. KG a.a.O.; Beschlüsse vom 23. Oktober 2006 - [4] 1 Ss 249/06 [164/06] - und 7. Februar 2001 - [3] 1 Ss 311/00 [117/00] - juris). Er setzt daher die Höhe des Tagessatzes für die wegen des versuchten Diebstahls verhängte Einzelgeldstrafe ausgehend von den getroffenen Feststellungen auf den Mindestsatz nach § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB fest (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 316/07 - juris; Senat, Beschluss vom 8. September 2015 - [5] 121 Ss 110/15 [33/15] -).
2. Die gemäß § 464 Abs. 3 StPO zulässige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung, mit der der Beschwerdeführer geltend macht, ihm hätten wegen des erzielten Teilerfolges nicht die gesamten Kosten des Berufungsverfahren auferlegt werden dürfen, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer hat - wenngleich ohne nähere Begründung - im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Berufung keinen kostenrechtlich relevanten Teilerfolg im Sinne des § 473 Abs. 4 StPO...