Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Ablaufs der Bewährungszeit
Leitsatz (amtlich)
Das Ende der Bewährungszeit ist kalendarisch zu bestimmen; § 43 StPO findet dabei weder unmittelbare noch analoge Anwendung.
Normenkette
StGB §§ 46, 47 Abs. 1, § 56a Abs. 2 S. 1; StPO § 43
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 07.08.2015; Aktenzeichen (572) 256 AR 74/15 Ns (38/15)) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. August 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die vorbestrafte Angeklagte am 7. Januar 2015 wegen des Diebstahls dreier Pinselbecher, zweier Füller, eines Paar Socken und dreier Farbpaletten zum Gesamtverkaufspreis von 14,60 Euro zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte Berufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Danach steht zudem fest, dass die Waren letztlich im Geschäft geblieben sind, weil die Angeklagte bei dessen Verlassen aufgehalten worden ist. Dass dieser Umstand im Urteil des Landgerichts keine ausdrückliche Erwähnung findet, ändert daran nichts (vgl. unten II.2.).
Mit dem angefochtenen Urteil vom 7. August 2015 hat das Landgericht Berlin die Berufung verworfen.
Nach den (ergänzenden) Feststellungen des Landgerichts, waren die entwendeten Pinselbecher, Füller und Farbpaletten zur Verwendung durch die drei schulpflichtigen Kinder der Angeklagten gedacht. Diese hatten ihre Mutter darum gebeten, ihnen die fraglichen Utensilien zu besorgen. Sie lebt mit ihrem Ehemann und den insgesamt vier Kindern im Alter von elf, neun, acht und anderthalb Jahren als Asylbewerberin in einem Wohnheim in Berlin Charlottenburg. Die Familie lebt von Sozialhilfe in Höhe von monatlich insgesamt 1.300 Euro.
II.
Mit der zulässig erhobenen Sachrüge macht die Revision im Wesentlichen geltend, die verhängte Strafe verstoße gegen das Übermaßverbot.
Das Rechtsmittel hat - vorläufig - Erfolg; die zulässige Revision der Angeklagten ist begründet im Sinne von § 349 Abs. 4 StPO.
1. Die Strafzumessung obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, dem bei dieser Entscheidung ein Bewertungsspielraum zusteht. Dessen Entscheidung hat das Revisionsgericht deshalb bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen. Die Nachprüfung erstreckt sich lediglich darauf, ob der Tatrichter von unrichtigen oder unvollständigen Erwägungen ausgegangen ist oder sonst von seinem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. z.B. BGH NJW 1981, 692; BGH NStZ 1990, 334; zum Ganzen: Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rdn. 468-471). Das Tatgericht muss darlegen, dass es bei seiner Entscheidung die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen und dabei alle wesentlichen Umstände des Falles einbezogen hat. Ein auf die Sachrüge hin zu korrigierender Fehler liegt z.B. vor, wenn in den Urteilsgründen Umstände außer Acht gelassen werden, die für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von besonderer Bedeutung sind, deren Einbeziehung in die Strafzumessungserwägungen deshalb nahe lag (vgl. z.B. BGH NStZ 2006, 227, 228 mit weit. Nachweisen).
Hinzu kommt, dass gemäß § 47 Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe unter sechs Monaten statt einer (hier möglichen) Geldstrafe nur verhängt werden darf, wenn sie wegen besonderer Umstände entweder in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters zur Einwirkung auf ihn oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass kurze Freiheitsstrafen nur ausnahmsweise und als letztes Mittel zur Anwendung kommen sollen (vgl. KG StV 2007, 35 = KG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - [5] 1 Ss 68/06 [8/06] - [juris]). Sie dürfen nur verhängt werden, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände auf sie nicht verzichtet werden kann (vgl. KG, Beschluss vom 13. Februar 2004 - [3] 1 Ss 501/03 [1/04] -). Dass eine Freiheitsstrafe angebracht, sinnvoll, präventiv Erfolg versprechend usw. ist, reicht nicht aus (vgl. BGH Beschluss vom 8. September 2010 - 2 StR 407/10 -; Fischer, StGB 62. Aufl., § 47 Rdn. 7 mit weit. Nachweisen). Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB bedarf in der Regel einer besonderen Begründung (vgl. KG StV 2007, 35 = KG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - [5] 1 Ss 68/06 [8/06] - [juris]) und darf z.B. nicht schematisch aus einschlägigen Vorstrafen geschlossen werden, sondern ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles festzustellen, wobei die Anzahl, das Gewicht und der zeitliche Abstand der Vorstrafen, die Umstände der Tat und deren Schuldgehalt sowie die Lebensverhältnisse des Täters zu berücksichtigen sind (vgl. KG, Beschluss vom 13. Februar 2004 - [3] 1 Ss 501/03 [1/04] -).
2. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt di...