Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderliche Feststellungen zur (gemeinschädlichen) Sachbeschädigung
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Da eine Sachbeschädigung ausscheidet, wenn die Beseitigung der Substanzverletzung oder Funktionseinbuße mit keinem ins Gewicht fallenden Aufwand verbunden ist, muss der Täter es zumindest für möglich gehalten haben, dass deren Beseitigung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Demjenigen, der sich bei Begehung der Tat (§ 16 StGB) über den Beseitigungsaufwand keinerlei Gedanken gemacht hat, fehlt das zur Bejahung des Vorsatzes erforderliche Wissenselement.
2. Entsprechende Feststellungen im Urteil sind nur dann entbehrlich, wenn der Tatvorsatz angesichts des Umfangs der Substanzverletzung oder der Funktionsbeeinträchtigung auf der Hand liegt.
Normenkette
StGB §§ 303-304, 16; StPO § 267
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 23.08.2023; Aktenzeichen (559) 237 Js 353/23 Ns (25/23)) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. August 2023 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte am 10. Mai 2023 wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,- Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das Landgericht durch Urteil vom 23. August 2023 verworfen.
Nach den getroffenen Feststellungen entfernte die Angeklagte als Mitglied der Klimaaktivistengruppe "Letzte Generation" am 22. Juni 2022 zusammen mit weiteren Mittätern vor dem Bundeskanzleramt eine dort verlegte Gehwegplatte und legte sie auf einem Rasenstück neben der ursprünglichen Verlegeposition ab. Dabei machte sich die Angeklagte keine Vorstellungen darüber, welcher Aufwand mit dem Wiedereinsetzen der Gehwegplatte verbunden sein würde (UA S. 3, erster Absatz). Den Tatvorsatz hat das Landgericht mit folgenden Erwägungen begründet (UA S. 4, vorletzter Absatz):
"Die Angeklagte beging die Sachbeschädigung zumindest mit Eventualvorsatz, auch wenn sie sich keine Vorstellungen zum Aufwand der Wiederherstellung der Brauchbarkeit des Gehwegs gemacht hatte; denn sie hat, da der Zustand des Gehwegs, egal mit welchem Aufwand, wieder herstellbar war und sie daran die Aktion mit dem ihr am Herzen liegenden Ziel eines Aufrüttelns der Öffentlichkeit nicht scheitern lassen wollte, billigend in Kauf genommen, dass die Platte auch bei einem nicht nur wesentlichen Wiederherstellungsaufwand entfernt wird."
Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte, die die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil im Gesamtstrafenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und im Übrigen die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
1. Die zulässige Revision dringt mit der Sachrüge durch, weil die Feststellungen zur inneren Tatseite nicht die Verurteilung wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung tragen.
a) Ein Täter handelt mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Eintritt eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkannt hat (Wissenselement) und dies billigt oder sich mit dem Eintritt des Erfolges abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder unerwünscht sein (vgl. statt aller nur BGH StV 2023, 332; 2022, 72; NStZ 2019, 208; Senat NZV 2016, 392; Fischer, StGB 70. Aufl., § 15 Rdn. 11 ff.; alle m.w.N.). Fehlt dem Täter das Bewusstsein, dass seine Handlung ein Tatbestandsmerkmal erfüllen kann, handelt er nicht vorsätzlich, was auch dann der Fall ist, wenn er sich über die Tatbestandsverwirklichung keinerlei Gedanken gemacht hat (vgl. BGH NStZ 2004, 201; Bülte in Leipziger Kommentar zum StGB 13. Aufl., § 15 Rdn. 105; Lackner/Kühl/Heger, StGB 30. Aufl., Rdn. 9: potentieller Vorsatz genügt nicht).
b) Eine Sachbeschädigung scheidet aus, wenn die Beseitigung der Substanzverletzung oder Funktionseinbuße (vgl. Goeckenjan in Leipziger Kommentar a.a.O., § 303 Rdn. 23 f. m.w.N.) mit keinem ins Gewicht fallenden Aufwand verbunden ist (vgl. BGHSt 13, 207; NStZ 1982, 508; Heger in Lackner/Kühl/Heger a.a.O., § 303 Rdn. 5; Goeckenjan a.a.O. Rdn. 32 m.w.N.). In der Folge muss der Täter es zumindest für möglich gehalten haben, dass die Beseitigung der Substanzverletzung bzw. der Funktionseinbuße einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Da demjenigen, der sich bei Begehung der Tat (§ 16 StGB) über den Beseitigungsaufwand keinerlei Gedanken gemacht hat, das zur Bejahung des Vorsatzes erforderliche Wissenselement fehlt, muss das Urteil Feststellungen dazu enthalten, dass der Täter einen nicht unerheblichen Beseitigungsaufwand für zumindest möglich gehalten hat. Etwas anderes gilt nur, wenn dies angesichts des Umfangs der Substanzverletzung oder der Funktionsbeeinträchtigung auf der Hand ...