Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsobliegenheit bei gesteigerter Unterhaltspflicht

 

Normenkette

BGB §§ 516, 528-529, 1603 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 21.06.2012; Aktenzeichen 157b F 4926/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - der am 21.6.2012 verkündete Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 157b F 4926/11 - geändert:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller zu 1) zu Händen des Drittwiderantragsgegners einen rückständigen Unterhalt für die Zeit von Januar 2011 bis November 2013 i.H.v. 7.120 EUR zu zahlen sowie ab Dezember 2013 laufenden Unterhalt i.H.v. monatlich 206 EUR, fällig jeweils zum Monatsersten.

Die Antragsgegnerin wird weiter verpflichtet, an den Antragsteller zu 2) zu Händen des Drittwiderantragsgegners einen rückständigen Unterhalt für die Zeit von Januar 2011 bis November 2013 i.H.v. 8.741 EUR zu zahlen sowie ab Dezember 2013 laufenden Unterhalt i.H.v. monatlich 253 EUR, fällig jeweils zum Monatsersten.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben die Antragsgegnerin 5/7 und die Antragsteller 2/7 zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf bis zu 10.000 EUR.

 

Gründe

Von der Feststellung der Tatsachengrundlagen sieht der Senat ab, da der Beschluss nicht rechtsmittelfähig ist.

Die Beschwerde ist gem. § 58 FamFG statthaft und insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).

A. Antrag der Antragsteller

1. Der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Unterhalt ist zulässig. Insbesondere sind die Antragsteller nicht deswegen ohne wirksame Vertretung, weil die Antragsgegnerin ihren Vater im Wege eines - unzulässigen (dazu unten zu B.) - Drittwiderantrags in das Verfahren einbezogen hat. Hierdurch wird die Vertretungsbefugnis des Vaters nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht berührt. Er ist weiter vertretungsbefugt, die Antragsteller sind daher wirksam im Verfahren vertreten. Der Gesetzgeber hat ersichtlich die von der Antragsgegnerin angeführte Interessenkollision bewusst in Kauf genommen. Der Fall ist auch angesichts der klaren gesetzgeberischen Anordnung mit der Situation des § 1795 Abs. 2 BGB nicht vergleichbar.

Die "Verfahrensfähigkeit" der Antragsteller ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hierdurch gar nicht berührt. Die Antragsteller sind ohnehin nicht selbst verfahrensfähig, gerade deswegen müssen sie vertreten werden.

Daher kommt mangels Säumnis ein Versäumnisbeschluss gegen die Antragsteller nicht in Betracht. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Erlass einer Säumnis-Entscheidung ist daher zurückzuweisen.

2. Den Antragstellern zu 1) und 2) steht grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung von Mindestunterhalt gemäß den §§ 1601 ff., 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB zu. Das Insolvenzverfahren steht der Verpflichtung nicht entgegen, wie vom AG zutreffend ausgeführt wurde (§§ 850c, 850d ZPO, 89 Abs. 2 InsO). Die Antragsgegnerin ist als leistungsfähig zu behandeln (§ 1603 BGB). Nach dieser Norm ist zum Unterhalt nicht verpflichtet, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

a. In Höhe von 26,76 EUR für den Antragsteller zu 1) und i.H.v. 32,86 EUR für den Antragsteller zu 2) ergibt sich die Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin allein aus ihrem Anerkenntnis in ihrem Schriftsatz vom 20.4.2011. Entgegen ihrer Auffassung ist dieses Anerkenntnis nicht durch den anschließend gestellten Klageabweisungsantrag überholt. Entsprechendes käme nur in Betracht, wenn die Antragsteller zu 1) und 2) ihren Klageantrag dem Streitgegenstand nach geändert hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall.

b. Nach ihren tatsächlichen Einkünften war die Antragsgegnerin bis einschließlich September 2012 leistungsunfähig. Bis einschließlich April 2011 hat die Antragsgegnerin öffentliche Leistungen bezogen. In der Zeit von Mai 2011 bis einschließlich Juli 2012 lag das Einkommen zunächst bei etwa 700 EUR später bei 999,97 EUR.

Der Selbstbehalt der Antragsgegnerin beträgt nach den jeweiligen unterhaltsrechtlichen Leitlinien des KG (Ziff. 21.2.) im Jahr 2012 950 EUR und seit dem 1.1.2013 1.000 EUR. Bei Berücksichtigung dieses Selbstbehaltes wäre sie daher allenfalls zu einem Teil unterhaltspflichtig.

Der Selbstbehalt ist einerseits aufgrund der Kosten des Umgangs heraufzusetzen. Da das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen darf, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben, sind die damit verbundenen Kosten konsequenterweise unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen Kindergeld, bestritten werden können (BGH NJW 2005, 1493, 1495). Das ist hier der Fall, da der Vater der Antragst...

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