Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 6 O 34/12)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. April 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 6 O 34/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Der Berufungsstreitwert wird auf 32.397,56 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. A. Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 21.4.16 rechtskräftig verurteilt, an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 EUR, Schadensersatz (Fahrkosten von Angehörigen) in Höhe von 1.250,00 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.508,92 EUR zu zahlen. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte zur Zahlung des künftigen materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet ist.

Die bei der Beklagten tätigen Ärzte hätten grob fehlerhaft nicht schnell genug auf einen nach einer Hüftgelenksimplantation beginnenden, schicksalhaften Infekt reagiert, wodurch unter Anwendung des Grundsatzes der Beweislastumkehr davon auszugehen sei, dass der Klägerin ein Gesundheitsschaden (Verschlimmerung des septischen Geschehens, erhebliche muskuläre Defektsituation und dadurch eingeschränkte Gehfähigkeit) entstanden sei.

Den darüber hinaus geltend gemachten Schadensersatz (Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, einen Betrag von 528,28 EUR für Kopierkosten u.a., sowie Fahrkosten zum Sachverständigen in Höhe von 214,30 EUR) hat das Landgericht abgewiesen. Die Beweislastumkehr gelte trotz des vorliegenden groben Behandlungsfehlers nicht, da es sich insoweit um Sekundärschäden handele; hier gelte der Maßstab des § 287 ZPO, der aber ausweislich der sachverständigen Begutachtung nicht erfüllt sei.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Ansprüche - bis auf die Fahrtkosten zum Sachverständigen - weiter.

Im Wesentlichen geht es um die Frage, wie sich das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers auf die Beweislast auswirkt.

Im Einzelnen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der 1963 geborenen Klägerin wurde am 16.6.10 wegen einer Coxarthrose in der Einrichtung der Beklagten ein künstliches Hüftgelenk links zementfrei implantiert.

Ab dem 20.6.10 entwickelte die Klägerin zunehmend verschiedene Symptome, wie Fieber, starke Schmerzen, zunehmende CRP-Werte etc. bei sich verschlechterndem Allgemeinbefinden.

Am 25.6.10 wurde wegen des (sich dann bestätigenden) Verdachts auf einen Infekt, die Wunde eröffnet, saniert und mit einer Antibiose begonnen. Am 28.6.10 erlitt die Klägerin einen septischen Schock und sie wurde in ein künstliches Koma versetzt. Die infizierte Hüftendoprothese wurde entfernt. Es mussten insgesamt 5 Wundrevisionen durchgeführt werden. Am 25.8.10 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen, bis 10.9.10 befand sie sich in Kurzzeitpflege.

Am 29.4.11 wurde ein neues Hüftgelenk links implantiert.

Im Zuge des ausgedehnten Weichteildebridements, das zur Sanierung des Infektes erforderlich ist, ging ein Großteil der hüftabspreizenden Muskulatur links verloren. Hierdurch ist die Klägerin dauerhaft in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt (Insuffizienzhinken, 1 km ohne Gehstützen, 2 km mit Gehstützen), ebenso bei der Haushaltsführungen und der sonstigen Lebensführung (vgl. S. 22 des Gutachtens vom 6.3.13).

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Ärzte in der Einrichtung der Beklagten nicht rechtzeitig auf die typischen Symptome einer Infektion reagiert hätten. Hierdurch sei es zu den geklagten Beschwerden und Beeinträchtigungen gekommen.

Sie wäre sonst ab 1.9.10 von der m ... A ... T ... als Lageristin/Disponentin für 8,50 EUR brutto eingestellt worden, in jedem Fall hätte sie eine andere Arbeit finden können und brutto mindestens 1000,00 EUR (780,00 EUR netto bei Steuerklasse 4) verdienen können. Ebenso sei ihr durch die nichtzeitige Behandlung ein Haushaltsführungsschaden entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 50.000,00 EUR Schmerzensgeld, 1.250,00 EUR Schadensersatz und 1.508,92 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten verurteilt sowie die begehrte Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten getroffen. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.

Entsprechend der Begutachtung des Sachverständigen Prof. Dr. ... sei zwar davon auszugehen, dass der Infekt schicksalhaft eingetreten sei, es sei aber nicht ausreichend schnell hierauf reagiert worden. Man hätte spätestens am 23.6.10 und nicht erst am 25.6.10 die Revision durchführen lassen müssen. Hierin sei ein grober Behandlungsfehler zu sehen.

Die Gesundheitssc...

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