Leitsatz (amtlich)
1. Eine nichtige Enteignung nach dem BaulandG wegen unterlassener Zustellung des Enteignungsbeschlusses begründet einen Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB.
2. Der Grundbuchberichtigungsanspruch kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung durch Eintragung eines Widerspruches gegen die Richtigkeit des Grundbuches gesichert werden.
3. Der Grundbuchberichtigungsanspruch ist nicht wegen des Vorranges des VermG ausgeschlossen (Bestätigung BGH ZOV 2000, 235).
4. Art. 237 § 1 EGBGB verdrängt nicht die zivilrechtlichen Ansprüche, die ab 18.10.1989 entstanden sind.
5. Der Erlass eines VZOG-Bescheides zugunsten eines Dritten begründet keinen rechtswirksamen Eigentumserwerb.
6. Der bereits erfolgte bestandskräftige Abschluss des vermögensrechtlichen Verfahrens hat zivilrechtlich nicht zum Eigentumsverlust geführt.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 18.12.2002; Aktenzeichen 36 O 499/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird unter Aufhebung des Beschlusses des LG Berlin vom 18.12.2002 im Wege einer einstweiligen Verfügung angeordnet: Hinsichtlich der in der ersten Abteilung des Grundbuchs von Mitte, Bd. 23, Blatt 574N (AG Tempelhof-Kreuzberg – vormals AG Mitte) eingetragenen Eigentümerstellung der Antragsgegnerin ist zugunsten der Antragsteller ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs einzutragen.
Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Der Verfahrenswert wird auf 122.137,66 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insb. form- und fristgerecht erhoben, §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 Abs. 1 ZPO.
Der Zivilrechtsweg ist eröffnet, denn es liegt eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor. Der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch auf Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch, § 899 BGB, der sich auf die von ihnen behauptete Unrichtigkeit des Grundbuchs stützt, § 894 BGB, beruht ausschließlich auf einer bürgerlich-rechtlichen Vorschrift. § 894 BGB stellt einen Rechtssatz für die Fälle auf, in denen der Inhalt des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht. Für die in dieser Norm vorgesehene Rechtsfolge kommt es nicht darauf an, worauf das Auseinanderfallen von Buchberechtigung und materiell-rechtlicher Eigentümerstellung beruht. Sie findet daher auch dann Anwendung, wenn die Buchberechtigung auf einen staatlichen Hoheitsakt zurückgeht (OLG Naumburg NJ 2000, 270 ff., m.w.N.). Der Grund für das Auseinanderfallen von Buchberechtigung und materiell-rechtlicher Eigentümerstellung ist für §§ 899, 894 BGB lediglich Vorfrage.
Der Grundbuchberichtigungsanspruch ist nicht wegen eines Vorrangs des Vermögensgesetzes ausgeschlossen.
Dabei ist unerheblich, dass die Antragsteller zunächst Rückübertragungsansprüche nach dem VermG angemeldet haben, die durch den unanfechtbaren – verwaltungsgerichtlich nie angegriffenen – Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin (LAROV) bereits 1997 zurückgewiesen wurden. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass nach Ansicht des Widerspruchsausschusses, die – soweit ersichtlich – der damals h.M. entsprach, keine Maßnahmen nach § 1 VermG vorlagen und die Antragsteller somit nicht Berechtigte im Sinne des VermG waren. Soweit die Feststellungen des Widerspruchsausschusses des LAROV richtig sind und keine Maßnahmen nach § 1 VermG vorlagen, die einen Rückübertragungsanspruch nach dem VermG hätten begründen können, können die Antragsteller durch den bestandskräftigen Beschluss auch nicht in ihrem Recht auf (Sicherung der) Berichtigung des unrichtigen Grundbuchs beeinträchtigt werden. Denn dieser Beschluss hat keine Regelungen zu Ansprüchen getroffen, die durch das Vermögensgesetz nicht erfasst wurden.
Nach der neueren Rspr. des BGH (BGH v. 12.5.2000 – V ZR 47/99, MDR 2000, 946 = NJW 2000, 2419 ff.) und des BVerwG (BVerwG VIZ 2001, 611 f.; VIZ 2002, 340 ff.) war jedoch, entgegen der Ansicht des Widerspruchsausschlusses des LAROV, ein Anwendungsfall von § 1 Abs. 3 VermG gegeben. Die bewusste Nichtbeteiligung der Eigentümer an dem Enteignungsverfahren stellt nach Ansicht beider Gerichte jedenfalls nach dem 26.1.1990 eine „unlautere Machenschaft” dar, die zur Anwendbarkeit des § 1 VermG führt. Hier beschloss der Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte erst im Februar 1990 die Enteignung der Antragsteller.
Mit dem BGH (BGH v. 12.5.2000 – V ZR 47/99, MDR 2000, 946 = NJW 2000, 2419) und in Kenntnis der dagegen vorgebrachten Kritik (vgl. Hermann, OV spezial, 2000, 350 ff.; BVerwG VIZ 2002, 340 ff.; VIZ 2001, 611 f.) geht der Senat davon aus, dass in diesen speziellen Fällen in der Spätphase der DDR über Art. 237 § 1 Abs. 3 EGBGB zwar auch das Vermögensgesetz anwendbar ist, daneben aber die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche nicht ausgeschlossen wird.
Der BGH hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass es in diesen Fällen der ausschließlichen Anwendbarke...