Leitsatz (amtlich)
Bei einem Streit über den Umfang des Wasserverbrauchs obliegt dem Versorgungsunternehmen die Beweislast dafür, dass ein technisch einwandfrei funktionierender Zähler installiert war und ordnungsgemäß abgelesen wurde. Hat eine Überprüfung des Wasserzählers durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle für Messgeräte die Einhaltung der in der Eichordnung festgelegten Verkehrsfehlergrenzen ergeben, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Richtigkeit der Anzeige der Wasseruhr.
Der Kunde hat einen von ihm behaupteten Defekt des Zählers substantiiert darzutun und den Zähler nach § 19 AVBWasserV überprüfen zu lassen, um die Fiktion zu entkräften, nach der die Angaben geeichter Messgeräte innerhalb der festgelegten Fehlergrenzen als richtig gelten.
Meldet der Kunde nach Zugang der Wasserrechnung Zweifel an der Funktionstüchtigkeit eines bereits ausgebauten Wasserzählers an, ohne zugleich einen Antrag gem. § 19 AVBWasserV zu stellen, so hat das Versorgungsunternehmen entweder selbst eine Nachprüfung des Wasserzählers zu veranlassen oder ihn zumindest aufzubewahren, um eine spätere Nachprüfung zu ermöglichen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 528/11) |
Tenor
1. Die Verfahren 8 U 123/12 und 8 U 215/12 werden zum Zwecke der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Verfahren 8 U 215/12 führt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufungen durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 27.3.2012 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
Entgegen der Auffassung des LG ergebe sich aus den Umständen, dass offensichtliche Fehler vorliegen würden.
Die Mitarbeiter der Klägerin seien unstreitig ohne Zustimmung der Beklagten auf das komplett umzäunte Gelände der Beklagten eingedrungen und hätten ohne Anhörung der Beklagten den Wasserzähler ausgebaut und damit die Wasserversorgung eingestellt. Die Beklagte sei entgegen § 18 Abs. 2 AVBWasserV nicht angehört worden. Die Voraussetzungen für eine fristlose Einstellung der Wasserversorgung gem. § 33 AVBWasserV hätten nicht vorgelegen, da die Beklagte nicht den allgemeinen Versorgungsbedingungen zuwider gehandelt habe und auch keine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit von Personen oder Anlagen bestanden habe (Bd. I Bl. 165).
Die Umstände seien so gravierend, dass sie eine Zahlungsverweigerung nach § 30 Nr. 1 AVBWasserV rechtfertigten (Bd. I Bl. 166).
Für die Schmutzwasserversorgung gelte § 30 AVBWasserV nicht. § 20 Abs. 1 Nr. 1 ABE, der einen Einwendungsausschluss regele, der § 30 Nr. 1 AVBWasserV wortgleich entspreche, sei gem. § 307 BGB unwirksam. Soweit das LG dem nicht folge, widerspreche die landgerichtliche Entscheidung der Rechtsprechung des BGH (Bd. I Bl. 167).
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des am 27.3.2012 verkündeten Teilurteils der Zivilkammer 16 des LG Berlin abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Teilurteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
Die Umstände der Ablesung bzw. Ermittlung des angerechneten Verbrauchs seien im Rahmen des § 30 AVBWasserV bzw. § 20 ABE unbeachtlich. Der Fehlerbegriff der anzuwenden Rechtsvorschriften knüpfe ausschließlich an die angerechnete Verbrauchsmenge an, nicht an die Umstände der Ablesung (Bd. I Bl. 199).
Entgegen der Behauptung der Beklagten sei sie nicht auf das Gelände eingedrungen. Das Tor zum Grundstück sei geöffnet gewesen (Bd. I Bl. 199).
Eine unterstellte Verletzung der Anhörungspflicht könne allenfalls Ersatzansprüche wegen der Entfernung der Wasserzählereinrichtung begründen.
Die Frage, ob sie, die Klägerin, die Wasserversorgung einstellen durfte, habe nichts mit der Ablesung des Verbrauchs zu tun (Bd. I Bl. 199).
Die Regelung in § 20 ABE sei wirksam, da sie § 30 AVBWasserV wortgleich nachgebildet sei. Der BGH habe sich nicht mit der Regelung des § 20 ABE befasst (Bd. I Bl. 200).
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 7.6.2012 verkündete Schlussurteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast für den von ihr behaupteten Mess- und Berechnungsfehler. Dies Beklagte habe eine Überprüfung der Ursachen der Verbrauchssteigerung vorzunehmen gehabt. Die Beklagte hätte darzulegen gehabt, dass in ihrer Sphäre keine Ursache für die Verbrauchssteigerung vorhanden sei.
Tatsächlich könne sowohl ein Rohrbruch als auch die unbefugte Entnahme von Trinkwasser für die Verbrauchssteigerung ursächlich sein.
Das LG verkenne, dass eine Zählerprüfung nach § 19 AVBWasserV einen entsprechenden Antrag des Kunden voraussetze. Die Beklagte sei durch den Ausbau des Zählers durch die Klägerin nicht gehindert gewesen, einen rechtzeitigen Überprüfungsantrag zu stellen (Bd. I Bl. 192). We...