Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernis Eindeutigkeit der Leistungsaufforderung (Mahnung) gem. § 284 Abs. 1 BGB a.F./§ 286 Abs. 1 BGB n.F.
Leitsatz (amtlich)
1. a) Ein vor dem LG geführter Rechtsstreit, der wegen fehlender Einzelrichterfähigkeit des Berichterstatters gem. § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO originäre Kammersache ist, wird in Folge späteren Auswechselns oder Vertretens des Berichterstatters durch einen einzelrichterfähigen Kollegen nicht automatisch, d.h. ohne Beschluss nach § 348a Abs. 1 ZPO zur Einzelrichtersache.
b) Wird der einzelrichterfähige Vertreter bzw. neue Berichterstatter gleichwohl ohne vorausgegangenen Beschluss nach § 348a Abs. 1 ZPO als Einzelrichter tätig, ist seine Entscheidung nicht nichtig, jedoch verfahrensfehlerhaft.
c) Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen einen dergestalt zustandegekommenen Beschluss ist gem. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter des Beschwerdesenates zuständig.
d) Der Verfahrensfehler führt nur in den Grenzen des - entsprechend anzuwendenden - § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das LG. (anders OLG Celle OLGReport Celle 2003, 8 und OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2003, 340, im umgekehrten Fall, in dem die vollbesetzte Kammer des LG anstelle des originären Einzelrichters entscheidet)
2. a) Zum Erfordernis Eindeutigkeit der Leistungsaufforderung (Mahnung) gem. § 284 Abs. 1 BGB a.F./§ 286 Abs. 1 BGB n.F.
b) § 284 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. ist nicht analog auf bloße Leistungsaufforderungen, die der Leistung vertraglich vorauszugehen haben, anzuwenden.
3. Legen - in parallelen Rechtsstreiten - verschiedene Gericht eine bestimmte vertragliche Vereinbarung abweichend voneinander aus, befindet sich der Schuldner, der in Übereinstimmung mit einer der so vertretenen Auslegungsalternativen handelt, zumindest in einem ihn entschuldigenden Rechtsirrtum.
Er haftet daher im Regelfall nicht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.
4. Nach vollständigem Eintritt der schadensersatzauslösenden Tatsachen besteht der Vorrang der Leistungsklage ggü. der Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger beim Feststellen dieser Tatsachen oder bei der Rechtsanwendung unsicher ist.
Normenkette
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 348a Abs. 1, § 568 S. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; BGB a.F. § 284 Abs. 1; BGB n.F. § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 30.10.2007; Aktenzeichen 20 O 7/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Zivilkammer 20 des LG Berlin, der mutmaßlich vom 30.10.2007 datiert und mit dem der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde, - Geschz.: 20 O 7/07 - wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Über die sofortige Beschwerde hat gem. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden. Denn der angefochtene Beschluss wurde durch einen Einzelrichter erlassen.
a) Zwar ist zweifelhaft, ob der angefochtene Beschluss ohne einen vorherigen Beschluss der Kammer des LG, mit dem der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen wird, von einem Einzelrichter hätte erlassen werden dürfen. Denn das landgerichtliche Verfahren wurde vor dem Erlass des angefochtenen Beschluss, wie aus dem Streitwertbeschluss vom 29.5.2005 ersichtlich, als Kammersache behandelt, mutmaßlich weil der damalige Berichterstatter, der Richter B., zu diesem Zeitpunkt noch in seinem ersten Probejahr war und daher gem. § 348 Abs. 1 Satz 2 ZPO Nr. 1 den Streitwertbeschluss nicht ohne weiteres als Einzelrichter erlassen durfte. Ob in Folge des - später mutmaßlich erfolgten - Auswechselns oder Vertretens dieses Proberichters durch die dienstältere Vorsitzende Richterin am LG W. automatisch, d.h. ohne gesonderten Beschluss nach § 348a Abs. 1 ZPO, zur Einzelrichtersache wird, ist in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - unbeantwortet und in der Literatur umstritten (näher hierzu s.u., Ziff. 4.).
Jedoch kann diese Problematik in Bezug auf die Frage der Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren dahinstehen. Denn es kommt nach § 568 Satz 1 ZPO nicht darauf an, durch wen der angefochtene Beschluss hätte erlassen werden müssen, sondern nur darauf, durch wen der Beschluss tatsächlich erlassen wurde (ebenso, in dem umgekehrten Fall, in dem der angefochtene Beschluss durch den Einzelrichter hätte erlassen werden müssen, tatsächlich aber durch die vollbesetzte Kammer erlassen wurde: OLG Celle OLGReport Celle 2003, 8 [9]). Hierfür spricht sowohl der eindeutige Wortlaut der Vorschrift als auch ihr Sinn. Die Vorschrift will nämlich der Gefahr begegnen, dass die rechtsmittelgerichtliche Entscheidung mit weniger Gewicht und Akzeptanz als die angefochtenen Entscheidung ausgestattet ist, weil erstere, im Gegensatz zu letzterer, durch den Einzelrichter, nicht aber durch einen Kollegialspruchkörper erlassen wurde (Gesetzentwurfsbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4722, S. 111; OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2007, 372 [372]). Eine solche Gefahr besteht je...