Leitsatz (amtlich)
1. Liegen die Anlasstaten vor dem 1. Juni 2013, sind bei Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzuwenden. Damit verdrängt Artikel 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB in diesen Fällen § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB.
2. In Altfällen ist die Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB nur zulässig, "wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird."
3. Der Begriff der psychischen Störung im Sinne von Art. 316f Abs. 2 EGStGB ist so zu verstehen wie in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 19.12.2014) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 19. Dezember 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Landgericht Potsdam hat durch Urteil vom 28. Oktober 2010 die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung vom 13. April 2007 angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision ist durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 2011 verworfen worden.
Die Sicherungsverwahrung wird seit dem 21. Juni 2011 auf dem Gelände der JVA Tegel vollstreckt. Zuvor verbüßte der Verurteilte eine zehnjährige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17. November 2000 bis zum 30. Juni 2010 und befand sich seit dem 1. Juli 2010 - mit einer Unterbrechung von sechs Monaten für eine weitere Strafverbüßung - auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 9. Juni 2010 in (vorläufiger) Unterbringung gemäß § 275a Abs. 6 StPO.
Mit Beschluss vom 19. April 2013 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam hat der Senat mit seinem Beschluss vom 7. Januar 2014 - 2 Ws 266/13 - diese Entscheidung aufgehoben und die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Dezember 2014 hat die Strafvollstreckungskammer entschieden, dass die Sicherungsverwahrung fortdauert. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Untergebrachten.
II.
Die gegen die (erneute) Fortdauerentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Untergebrachten ist nach §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO), sie hat jedoch aus den zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, keinen Erfolg.
Über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung hat der Senat nunmehr zum zweiten Mal auf der Grundlage der seit dem 1. Juni 2013 geltenden neuen Gesetzeslage zu entscheiden, mit der der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2356/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 ff.) umgesetzt hat.
Zur Vorgeschichte und zum bisherigen Vollstreckungsverlauf nimmt der Senat zunächst Bezug auf seine oben bereits erwähnte Entscheidung vom 7. Januar 2014.
1. Durch Art. 7 des am 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I 2425 f.) wurde Artikel 316f EGStGB als Übergangsvorschrift eingeführt. Aus dessen Absatz 2 Satz 1 ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzuwenden sind. Diese modifizierte Fortgeltung der bisherigen Vorschriften ist verfassungs- und konventionsgemäß (vgl. BGH NJW 2013, 2295 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 3 Ws 136-137/13 - [juris]) und verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2356/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 ff.; BVerfGE 109, 133 ff.). Damit verdrängt Artikel 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB hier - und in gleichgelagerten Fällen - § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB.
a) Danach ist die Fortdauer der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung nur zulässig, wenn bei dem Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt (Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB).
b) Soweit der Untergebrachte meint - und diese Auffassung auch zum Gegenstand seiner Beschwerdebegründung macht - die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei nur beim Vorliegen einer "psychischen Erkranku...