Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Befriedungsgebühr durch Revisionsrücknahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Revisionsverfahren findet eine Hauptverhandlung nicht statt, wenn die Revision nicht gemäß § 344 Abs. 1 StPO begründet wurde. In diesem Fall unterliegt das Rechtsmittel der Verwerfung durch das Tatgericht im Beschlusswege (§ 346 Abs. 1 StPO); das Revisionsgericht wird mit ihm nicht befasst.
2. Die Zusatzgebühr für die Vermeidung einer Hauptverhandlung ("Befriedungsgebühr") kann im Revisionsverfahren nur entstehen, wenn das Rechtsmittel vor seiner Rücknahme ordnungsgemäß begründet worden war.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 06.01.2006; Aktenzeichen (522) 1 Kap Js 2064/04 Ks (18/04)) |
Gründe
I.
Der am 7. Dezember 2004 zum Pflichtverteidiger bestellte Beschwerdeführer legte gegen das Urteil des Schwurgerichts vom 10. Mai 2005, durch das der Angeklagte wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt angeordnet worden war, am 12. Mai 2005 Revision ein, ohne diese in der Folgezeit zu begründen. Am 28. Juni 2005 nahm er das Rechtsmittel zurück. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts hat mit Beschluß vom 15. November 2005 die Vergütung des Pflichtverteidigers auf insgesamt 4.340,19 EUR festgesetzt und es dabei u.a. abgelehnt, ihm für das Revisionsverfahren neben der Verfahrensgebühr (Nrn. 4130, 4131 VV RVG) auch die beantragte Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu bewilligen. Auf seine Erinnerung hat das Landgericht ihm diese Gebühr in Höhe von 477,92 EUR (einschl. MwSt) zugesprochen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts, die Erfolg hat.
II.
1. Die Beschwerde ist nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Sätze 1 und 3 RVG zulässig. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel in der Besetzung mit drei Richtern, da die angefochtene Entscheidung nicht - wie in § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG grundsätzlich vorgesehen - durch den Einzelrichter ergangen ist (§ 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2 RVG).
2. Die Beschwerde ist begründet. Die dem Pflichtverteidiger durch das Landgericht zugesprochene Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG steht ihm nicht zu.
Diese Gebühr entsteht nach Abs. 1 Ziff. 3 der Anmerkung zu diesem Gebührentatbestand nur dann, wenn sich durch die anwaltliche Mitwirkung bei der Rücknahme eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels das gerichtliche Verfahren erledigt und damit eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Sinn dieser Regelung ist es, die zur Vermeidung einer Hauptverhandlung erbrachte Tätigkeit des Rechtsanwalts zu honorieren und ihn zugleich für den erst durch seine Bemühungen um eine Verfahrenserledigung eingetretenen Verlust der ihm sonst zustehenden Hauptverhandlungsgebühr zu entschädigen (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 227). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann er die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht schon deshalb verlangen, weil seine Beratung des Angeklagten - wie er vorträgt - zur Rücknahme der Revision geführt hat. Es ist vielmehr neben der Feststellung einer anwaltlichen Mitwirkung an der Verfahrenserledigung nach dem eindeutigen Wortlaut des Gebührentatbestandes zusätzlich die Prüfung geboten, ob infolge der Tätigkeit des Rechtsanwalts eine Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist. Während im Falle der Berufung oder des Einspruchs gegen einen Strafbefehl eine Hauptverhandlung zwingend anzuberaumen ist und deren Notwendigkeit erst infolge der (durch den Verteidiger herbeigeführten) Verfahrenserledigung entfällt, wird im Revisionsverfahren in der Regel durch Beschluß (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO) und nur ausnahmsweise aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil (§ 349 Abs. 5 StPO) entschieden.
Nach welchen Kriterien demnach für das Revisionsverfahren zu beurteilen ist, ob ein ordnungsgemäß eingelegtes und begründetes Rechtsmittel ohne dessen Rücknahme zu einer Hauptverhandlung geführt hätte (vgl. dazu OLG Zweibrücken, AGS 2006, 74), kann hier offen bleiben. Der 5. Strafsenat des Kammergerichts hat bereits entschieden, daß jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation, in der die Revision vor ihrer Rücknahme nicht nach § 344 StPO begründet worden war, dem Verteidiger die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht zusteht (vgl. KG NStZ 2006, 239). Dem schließt sich der Senat an. Auf die gegenteilige Ansicht des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluß vom 12. September 2005 - III-1 Ws 288/05 - bei juris) kann sich der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg berufen. Denn die nicht näher begründete Annahme das OLG Düsseldorf, auch in derartigen Fällen sei durch die Rechtsmittelrücknahme eine Hauptverhandlung vermieden worden, läßt die Vorschrift des § 346 Abs. 1 StPO außer Acht. Danach findet beim Fehlen einer Revisionsbegründung eine Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht gerade nicht statt. Vielmehr hat dann der Tatrichter die Revision nach Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO im Beschlusswege zu verwerfen. Da in diesen Fällen der Anspruch des Verteidigers auf...